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Bohrinsel-Explosion: Die vorhersehbare Katastrophe

Eine Explosion wie auf der „Deepwater Horizon“ könne sich jederzeit wiederholen, warnen US-Experten. Die Abläufe müssten gründlich überarbeitet werden.

Die Explosion der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko, die zur schlimmsten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA führte, war „nicht das Ergebnis einer Abfolge einzelner Fehlentscheidungen verbrecherischer Industrievertreter“. Vielmehr hätte man die Fehler und Pannen, die in der Summe zu der Katastrophe führten, vorhersehen können. Also liege „die Hauptursache im System“ der Erkundungsbohrungen und der staatlichen Aufsicht über sie. Die Katastrophe könne sich jederzeit wiederholen, solange die Abläufe nicht grundlegend reformiert werden. Das ist das Kernresultat des Untersuchungsberichts der Regierungskommission zur Explosion der Plattform am 20. April 2010, bei der elf Menschen starben. Den vollständigen Bericht will die Kommission in der kommenden Woche veröffentlichen.

Die drei Firmen BP, Halliburton und Transocean, die an der Bohrung beteiligt waren, reagierten erneut mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Der Ölkonzern BP war der Auftraggeber der Bohrung. Die Plattform gehörte Transocean. Halliburton führte die Zementierungsarbeiten im Bohrloch in rund 1500 Meter Wassertiefe aus, die offenbar Auslöser der Explosion waren. Die beabsichtigte Abdichtung misslang. Gas strömte durch Risse in den Bohrschacht und entzündete sich. Drucktests im Schacht hatten diese Gefahr erkennen lassen. Doch die Bohrmannschaft auf der Plattform ignorierte sie. Außerdem änderten die Firmen Arbeitsabläufe, die sie mit der staatlichen Aufsicht abstimmen müssen, ehe die Genehmigung eingetroffen war. Diese Praxis war offenbar seit Jahren üblich. Die Konzernmanager drängen darauf, die Abläufe zu verkürzen und Zeit zu sparen, da der Betrieb einer Plattform für Erkundungsbohrungen zwischen einer halben und einer Million Dollar pro Tag kostet.

BP betonte, der Bericht bestätige die eigene interne Untersuchung, wonach alle drei Firmen am Ablauf der Ereignisse beteiligt waren, Halliburtons Zement Mängel aufwies und die Transocean- Crew falsch auf die Zuspitzung der Lage reagiert habe. Ein Transocean-Sprecher sagte, das Bohrteam habe „korrekt gehandelt“; alle Aktionen seien mit den Aufsichtbehörden und BP abgestimmt worden und BP habe jeweils das letzte Wort gehabt. Halliburton erklärte, die Zementmischung habe BPs Vorgaben entsprochen und die Labortests bestanden.

Der Untersuchungsbericht analysiert, alle drei Firmen hätten mangelhaft reagiert und Warnzeichen übersehen oder nicht ernst genommen. Die Hauptkritik trifft aber BP. Der Konzern sei verantwortlich für sieben der neun Entscheidungen, die das Risiko erhöhten und zur Katastrophe führten. Die Kommission empfiehlt, die Sicherheitsauflagen zu verschärfen und der Aufsichtsbehörde mehr Mittel zur Durchsetzung zu geben.

In den jüngsten Monaten hat die politische Entwicklung in den USA jedoch die gegenteilige Richtung eingeschlagen. Präsident Barack Obama hatte im Frühsommer zunächst ein sechsmonatiges Moratorium für neue Tiefseebohrungen verhängt. Unter dem Druck der Ölbranche und der Republikaner, die ihm die Vernichtung von Arbeitsplätzen vorwarfen, hat er es im Oktober, kurz vor der Kongresswahl, aufgehoben. Bei der Wahl gewannen die Republikaner die Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Eine gesetzliche Verschärfung der Aufsicht ist damit unwahrscheinlicher geworden. Zudem ist der Ölpreis inzwischen wieder auf über 90 Dollar pro Barrel gestiegen. Auch deshalb wächst der öffentliche Druck in den USA, neue Ölquellen zu erschließen.

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