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Bombenentschärfung in Koblenz: Geisterstadt weckt Kriegserinnerungen

In Koblenz wurden am Sonntag zwei Fliegerbomben entschärft. 45.000 Einwohner mussten ihre Häuser verlassen.

Koblenz - Leere Straßen, ein verlassener Hauptbahnhof, ungewöhnliche Stille: Es ist ein gespenstischer Sonntagvormittag in Koblenz, rund 45 000 Menschen haben ihre Häuser wegen der Entschärfung zweier Weltkriegsbomben im Rhein verlassen. Ein Hubschrauber kreist über der Stadt. Die Feuerwehr hat den Rhein gesperrt, der Zugverkehr ist eingestellt. Zuletzt haben auch die Mitarbeiter von Feuerwehr und Ordnungsamt die Sperrzone verlassen. Es war die größte Evakuierung wegen eines Blindgängers in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die insgesamt acht Experten des Kampfmittelräumdienstes begannen am frühen Nachmittag, eine 1,8 Tonnen schwere britische Luftmine, eine kleinere US-Bombe sowie ein Fass mit giftigen Chemikalien zu entschärfen. Gegen 16 Uhr waren die Bomben problemlos entschärft. Eine dreiviertel Stunde später war auch das Tarnnebelfass aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich gemacht. Die Evakuierung blieb noch eine gute Stunde weiter bestehen, bis nach den Schadstoffmessungen einer ABC-Erkundungseinheit der Feuerwehr Entwarnung gegeben wurde.

Am Vormittag war viel Blaulicht in der Stadt zu sehen. Eine ganze Kolonne Transportwagen des Deutschen Roten Kreuzes stand etwa vor dem Altenheim De Haye’sche Stiftung. Hier wurden am Morgen noch Bewohner verlegt. Vielen war die Angst ins Gesicht geschrieben, als sie in Rollstühlen in Busse gebracht wurden. „Die Leute sind schon aufgeregt“, sagte Verwaltungsdirektor Thomas Weber. Schon um fünf Uhr seien alle geweckt worden. Eine von ihnen ist die 81 Jahre alte Gerti Kraus. „Man mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn die Bombe explodiert“, sagt sie. Auch ihre Tochter, die gerade erst ein Haus in der Nähe gebaut habe, sei in Sicherheit gebracht worden. Eine Angehörige erzählt von einer Frau, die vor dem Abtransport bitterlich geweint habe. „Sie hat Bombennächte im Zweiten Weltkrieg erlebt und das kommt jetzt alles wieder hoch.“

In der Sporthalle einer Schule ein paar Kilometer weiter sitzen rund 140 Menschen, Platz wäre für 4000 gewesen. Ein typisches Bild. Die provisorischen Unterkünfte sind recht leer, viele Bewohner sind bei Freunden untergekommen. „Oder sie haben das Wochenende für einen Ausflug genutzt, was vernünftig ist“, sagt Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig (SPD).

In der Sporthalle einer Berufsschule sitzen vier ältere Damen zusammen. „Ich bin es fast schon gewöhnt. Ich war schon zweimal betroffen. Man lebt quasi damit“, sagt eine 77-Jährige. „Als heute Morgen der Wagen durch die Straßen fuhr und ich die Lautsprecher-Durchsagen gehört habe, habe ich aber doch eine Gänsehaut bekommen. Da kamen Kindheitserinnerungen hoch.“ Ein Ehepaar findet es erstaunlich, dass die Bombe erst jetzt beim Niedrigwasser im Rhein entdeckt wurde.

Fußgänger hatten die große Bombe am 20. November im Rhein auf Höhe des Stadtteils Pfaffendorf entdeckt. Funde wie die in Koblenz häufen sich derzeit im Rhein, denn der Fluss hat nach dem ungewöhnlich trockenen November einen sehr niedrigen Wasserstand. Auch in Nürnberg und Karlsruhe sind am Sonntag Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft worden. Koblenz war schon öfter Schauplatz spektakulärer Entschärfungen, weil die Stadt im Zweiten Weltkrieg als Militärzentrum und Verkehrsknotenpunkt stark bombardiert worden war. Pfingsten 1999 hatten rund 15 000 Koblenzer ihre Häuser räumen müssen. dpa/AFP

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