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Rio de Janeiro

© dpa

Brasilien: Schönheitsklinik in Rio behandelt Arme gratis

Wohl an keinem Ort der Welt sind die Bikinis knapper als in Rio de Janeiro und nirgendwo ist der Wunsch nach dem perfekten Körper größer als in Brasilien. Jetzt bekommen auch die Ärmsten Rios die Chance, ihrer Schönheit künstlich nachzuhelfen. Aber nicht nur sie profitieren von dem Geschäft mit der Sehnsucht.

Hunderte Slumbewohner, fast ausschließlich Frauen, stehen seit Wochen täglich vor der Klinik der Brasilianischen Gesellschaft für kosmetische Chirurgie (SBME) Schlange - in der Hoffnung, kostenlos behandelt zu werden. "Ich bin schon seit gestern Abend um elf Uhr hier und habe auf dem Bürgersteig geschlafen, um eine der ersten Nummern zu ziehen", sagt Vander Rodrigues. Der 28-Jährige Transvestit ist eigentlich Frisör, doch wie viele, die mit ihm warten, hat er keine Arbeit.    Arm zu sein ist die Bedingung, um für Botox-Spritzen oder eine Cellulite-Behandlung nicht bezahlen zu müssen. Nur um diejenigen, die nachweisen können, dass sie weniger als 500 Real (184 Euro) im Monat verdienen, kümmern sich die Ärzte der SBME-Klinik. Insgesamt 1800 Patienten werden im November für die kostenlose Behandlung ausgewählt.

Ein Kampf mit Pinzette und Vergrößerungsspiegel
  
Er träume schon lange davon, sich lästige Härchen im Gesicht und einige Krampfadern entfernen zu lassen, sagt Vander. "Bisher verschwende ich verrückt viel Zeit mit Pinzette und Vergrößerungsspiegel." Vander trägt eine Jeansjacke zu seinem geblümten Minirock und hält sich an seinem Handtäschchen fest. Schließlich bekommt er einen Zettel mit der Nummer 15 ausgehändigt. Der werde ihn "glücklicher" machen, ist sich Vander sicher.
  
Auch Ana Lucia Cortes hat die Nacht über vor der Klinik ausgeharrt. Dabei habe sie nur der Zufall hierher geführt, erzählt die 46-jährige Putzfrau. Am Tag zuvor sei sie im Gericht gewesen, um ihre Scheidung einzuleiten. "Jetzt, da Sie sich scheiden lassen, sollten Sie sich auch in die Schlange stellen, um schöner zu werden", habe ihr die Pförtnerin im Gericht geraten. Ana Lucia befolgte den Rat und verbrachte die Nacht im Freien auf einer Zeitung sitzend. Am Morgen wird sie mit einem Zettel mit der Nummer 24 belohnt. "Das ist eine einzigartige Gelegenheit", freut sie sich. "Niemand hier hat die Mittel, sich so eine Behandlung leisten zu können." Ana Lucia will ihre Orangenhaut loswerden und sich eventuell den Bauch straffen lassen.

Keine Brustvergrößerungen
  
Zunächst bekommen Vander und Ana Lucia mit ihren Nummern nur ein Beratungsgespräch, in dem ihnen erklärt wird, dass nur kleinere Eingriffe, nicht aber etwa Brustvergrößerungen, kostenlos angeboten werden. Anschließend werden die beiden von einem Psychologen befragt. Dann endlich erhalten sie den Termin für ihre Verschönerung: am 16. März nehmen sich die Ärzte für den Arbeitslosen und die Putzfrau Zeit.
  
Die Gratis-OPs gehen auf eine Initiative des inzwischen 82-jährigen brasilianischen Schönheitschirurgen Ivo Pitanguy zurück, der als Koriphäe auf diesem Gebiet gilt. Pitanguy lässt die Operationen von seinen Studenten vornehmen. Mit Korrekturen von Hasenscharten oder Ähnlichem haben die Mediziner dabei kaum zu tun. Die meisten Patienten hoffen, nach dem Eingriff makellos wie ein Filmstar auszusehen und die Klinik mit einem atemberaubenden Körper zu verlassen.

Arme profitieren von der Ausbildung der Chirurgen
  
Die Schönheitschirurgen wehren sich gegen Vorwürfe, sie würden die mittellosen Patienten als Versuchskaninchen für neue Behandlungen missbrauchen. Der Leiter des Forschungszentrums der SBME, Nelson Rosas, räumt jedoch ein, dass die Armen von angehenden plastischen Chirurgen behandelt werden. Die Klinik "bildet Spezialisten für Schönheitschirurgie aus und die Armen profitieren davon", sagt der Arzt. Das sei ein "menschenfreundliches Engagement".
  
Das sieht auch die 38-jährige Denise Vieira so und freut sich über ihr frisch geglättetes Gesicht: "Früher hatte ich beim Lachen schreckliche Krähenfüße rund um meine Augen. Nach vier Sitzungen mit Botox-Spritzen ist es schon viel besser geworden."

Claire de Oliveira[AFP]

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