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Ein Mahnmal steht vor Hitlers Geburtshaus - ohne ihn zu erwähnen.

© Dominic Ebenbichler/REUTERS

Braunau am Inn: Streit um Hitlers Geburtshaus

Die Zukunft des Hitler-Hauses ist ungewiss. Der österreichische Innenminister sprach von Abriss, die Expertenkommission will aber nur einen Umbau.

Es ist eine heikle und nicht enden wollende Geschichte: Was soll mit Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn geschehen? Am Montagabend kündigte Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) noch den Abriss des Hauses an und sorgte damit für Streit. Ein Abriss würde „einer Verleugnung der NS-Geschichte in Österreich gleichkommen“, empörten sich der Historiker Oliver Rathkolb und Ex-Verwaltungsgerichtshofpräsident Clemens Jabloner am Dienstag.

Sie sind Mitglieder einer Expertenkommission, die zwar mehrere Vorschläge zur Entmystifizierung des Ortes gemacht hatte. Ein Abriss des Gebäudes wurde aber nicht befürwortet. Die Kommission empfahl, das Haus, das immer mehr zum Wallfahrtsort für Neonazis wird, für administrative oder soziale Zwecke zu nutzen. Auch eine Neugestaltung der Fassade sei denkbar.

Ein anderes Mitglied der Kommission hatte schon vor zwei Wochen begründet, warum eine Gedenkstätte oder eine Begegnungszentrum hier falsch wäre: „Es würde nur den Mythos des Geburtsortes fortschreiben und dessen Bedeutung in irreführender Weise überbetonen.“ Mit der kompletten baulichen Umgestaltung soll das Haus zumindest als Fotomotiv unattraktiv werden.

Weitere Hürde: Enteignung

Seit Jahren steht das Haus, in dem Hitler sein erstes Lebensjahr verbrachte, leer. Zuvor hatte es Österreich über einen mittlerweile ausgelaufenen Pachtvertrag 20 Jahre lang sozialen Zwecken gewidmet. Ein Gedenkstein mit Toleranzparolen ohne den Namen des prominentesten Braunauers vor dem Haus soll dessen historische Anrüchigkeit entschärfen.

Das Haus dürfe „vor allem in der Außenform nicht mehr erkennbar sein“, hatte auch Innenminister Sobotka am Montag betont. Ob man das als Abriss bezeichne, darüber könne man diskutieren, räumte er am Dienstag ein. Er habe das vielleicht falsch interpretiert. Damit der nun angestoßene radikale Umbau aber überhaupt in Angriff genommen werden kann, müsste das in Privatbesitz befindliche Gebäude zunächst enteignet werden. Es gehört einer alten Dame, die sich seit langem jedem Kontakt zur Außenwelt verschließt und stur jede Umnutzung ebenso wie den Verkauf verweigert. Deshalb hatten sich die Gemeinde, das Bundesland Oberösterreich und der Bund im Vorjahr entschlossen, das Haus zu enteignen. Weil dafür aber keine der Begründungen im Enteignungsgesetz ausreicht, muss nun ein eigenes Gesetz gemacht werden, dass in Kürze beschlossen werden soll. Ob es einer möglichen Überprüfung durch die Verfassungsrichter dann standhält, ist fraglich.

Reinhard Frauscher

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