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Britische Spitzel-Affäre: Boulevard-Journalisten hörten Prominente ab

Die Briten haben ihren nächsten Skandal: Reporter haben die Mailboxen von Politikern und Prominenten angezapft - darunter Londons Bürgermeister und Gwyneth Paltrow.

Die politische Klasse in London hatte sich längst auf die Sommerferien eingerichtet, da platzte die nächste Skandalmeldung in die allgemeinen Urlaubsvorbereitungen: Tausende Politiker, Minister, Showstars und Sportgrößen wurden zum Ziel eines großen Lauschangriffs britischer Boulevardzeitungen. Das berichtet der Guardian, der sich in seiner Exklusivgeschichte auf einen Informanten bei Scotland Yard beruft. Journalisten von The Sun und News of the World sollen über einen längeren Zeitraum hinweg mithilfe von Privatdetektiven zahlreiche Handys abgehört haben. 

Mach Informationen der Tageszeitung sollen sich die Reporter, deren Blätter zu Rupert Murdochs Medienimperium News Corporation gehören, in Mailboxen von Mobiltelefonen eingehackt haben, um aus den Sprachnachrichten vertrauliche Informationen für ihre Recherchen zu ziehen. Möglicherweise gelangten sie an die Informationen, weil die Promis die voreingestellten Geheimnummern zum Abhören der Mobilboxen nicht geändert hatten.

Auf der Liste der Betroffenen – die vom zitierte Quelle spricht von "zwei- oder dreitausend" – stehen illustre Namen: Vom Ex-Vize-Premierminister John Prescott über das Supermodel Elle MacPherson, vom heutigen Londoner Bürgermeister Boris Johnson zu Schauspielerin Gwyneth Paltrow, von Sänger George Michael und Fernsehköchin Nigella Lawson bis zu Fußballverbandschef Gordon Taylor und zur mittlerweile gestorbenen Big-Brother-Berühmtheit Jade Goody – alle sollen sie von den Boulevard-Journalisten bespitzelt worden sein. Hinzukommen zahlreiche Politiker und Abgeordnete.

Wie der Guardian weiter erfahren haben will, soll der betroffene Verlag News Group Newspapers die illegalen Aktionen mit viel Geld vertuscht haben. Um ein Gerichtsverfahren beizulegen und die Machenschaften geheim zu halten, wurden einigen Betroffenen offenbar insgesamt eine Million Pfund (1,15 Millionen Euro) gezahlt. Ein Verlagssprecher wollte sich zunächst nicht äußern.

Unangenehme Fragen müssen sich nicht nur die Zeitungen gefallen lassen: Besonders brisant ist nach Darstellung des Guardian auch die Rolle der Ermittler. Demnach wusste Scotland Yard vom Ausmaß der illegalen Methoden – hat aber nichts unternommen. Inzwischen hat Scotland Yard eine interne Prüfung eingeleitet.

Schlussendlich gerät vor allem auch der Sprecher des konservativen Oppositionschef David Cameron, Andy Coulson, massiv unter Druck. Er war von 2003 bis 2007, also während der Zeit der Hacker-Fälle, Chefredakteur bei News of the World. In seine Amtszeit fiel auch die bislang einzig bekannt gewordene Spitzelaffäre. Im Januar 2007 wurde ein Journalist des Blattes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er sich in die Handys dreier Mitarbeiter des Königshauses eingehackt hatte. Coulson dementiert zwar, von den Aktionen seines Mitarbeiters gewusst zu haben, übernahm aber die Verantwortung und trat zurück. Murdochs Verlag wiederum hatte von einem Einzelfall gesprochen und den Journalisten als "Schwarzes Schaf" dargestellt.

Der frühere stellvertretende Premierminister Prescott, ebenfalls ein Abhöropfer, zeigte sich fassungslos: "Ich finde es erschütternd, dass die Polizei von einer Liste von Leuten gewusst haben könnte, deren Telefone angezapft wurden. Ich soll einer davon sein. Dass ich über ein solches Verbrechen nicht informiert und gegen die Verantwortlichen nicht weiter vorgegangen wurde, wirft ein sehr schlechtes Licht auf die Polizei. Ich möchte darauf eine Antwort."

Das sehen andere Betroffene genauso. Viele fordern inzwischen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Unterhauses, wo dann Verlegerpate Mudoch, Kommunikationsdirektor Coulson und die Ermittler von Scotland Yard aussagen sollen.

ZEIT ONLINE, dpa

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