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Bürgerinitiative: "Gulaschsuppe gegen Rechts"

Mit viel Einfallsreichtum kämpfen Delmenhorster Bürger dagegen, dass ein Hotelkomplex an den rechtsextremen Anwalt Jürgen Rieger verkauft wird.

Delmenhorst - "Wir müssen jetzt aufstehen", sagt Gretel Rahn. "Sonst ist es zu spät. Wegkriegen ist viel schwieriger." Seit fast sechs Jahren arbeitet sie in dem Kiosk, der schräg gegenüber einem marode aussehenden Hotel am Delmenhorster Stadtpark liegt. Nicht mehr als ein großer Parkplatz trennt die Kioskverkäuferin von dem Hotel, aus dem der als rechtsextrem geltende Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger ein Schulungszentrum machen will. "Wenn das kommt, dann können wir hier alle einpacken", sagt Gretel Rahn. "Dann muss ich mir woanders einen Job suchen."

Ende Juli wurde bekannt, dass der Hotelbesitzer den Komplex für 3,4 Millionen Euro an Rieger verkaufen will. Inzwischen ließ ein Vermittler verlauten, dass er das Hotel für dieselbe Summe an die Stadt abgeben würde. Nun heißt es in der 80.000-Einwohner-Stadt: Widerstand mobilisieren und Geld sammeln.

Städtischer Haushalt soll helfen

Mehr als eine halbe Million Euro sind bis Freitag auf einem von einer Bürgerinitiative eingerichteten Spendenkonto eingegangen. Mit dem Geld will die Initiative der Stadt ermöglichen, das Hotel selbst zu kaufen. Sollte nicht die ganze Summe von 3,4 Millionen Euro zusammenkommen, werde die Stadt den Rest wahrscheinlich über den Haushalt finanzieren, erklärte Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU). Er gehe davon aus, dass der Rat einen solchen Beschluss einstimmig fassen werde.

Darüber würde sich auch Luigi Miccoli freuen. Sein Restaurant "Il Salento" befindet sich innerhalb des Hotels. "Kommt es zu dem Verkauf, muss ich meine Koffer packen. Willkommen fühle ich mich dann nicht mehr." Dennoch ist er zuversichtlich. "Die Stadt versucht ja, den Verkauf zu verhindern", sagt er. Das Engagement der Stadt sorgt auch in der jüdischen Gemeinde für Beruhigung. "Die Stadt hat sich klar geäußert, dass sie alles versuchen wird, den Hotelverkauf an Rieger zu verhindern", sagt deren Vorsitzender Pedro Becerra.

"Es trifft die ganze Region"

Oberbürgermeister Schwettmann ist stolz darauf, wie die Bürger in dieser Situation zusammenhalten. "In den vergangenen Tagen habe ich eine einzigartige Solidarität erlebt", sagt er. Menschen sprächen ihn aber auch auf der Straße an und erzählten ihm von ihren Sorgen. "Sie haben Angst um ihren Frieden." Anrufe bekommt der Delmenhorster Oberbürgermeister von Politikern aller Nachbargemeinden. "Es trifft ja nicht nur uns, es trifft die ganze Region." Pläne, was die Stadt mit dem Hotel machen würde, falls sie es kaufen sollte, gebe es noch nicht, sagt Schwettmann.

Im Minutentakt klingelt das Telefon von Helmuth Riewe. Er sitzt im Büro des "Forums gegen Rechts" in der Delmenhorster DGB-Geschäftsstelle. Dort können sich die Menschen über Riegers Pläne informieren. "Nicht alle wollen nur das", sagt Riewe. Erst vor wenigen Minuten habe ihm eine ältere Dame eine Liste mit Namen gebracht, hinter denen sie mögliche Rechtsextreme vermutet. "Sie hat alles selbst recherchiert und mir die Liste dann vorbeigebracht", sagt Riewe.

Spontane Hilfe

"Die Vorstellung, dass in Delmenhorst braunes Gedankengut verbreitet werden könnte, ist für viele unerträglich", sagt der DGB-Kreisvorstandsvorsitzende Ulrich Kelm. "Da können wir abends ja gar nicht mehr in die Stadt gehen", schimpft ein Mann, der das Büro gerade betreten hat. Ältere Menschen hätten oftmals Angst, sagt Kelm. Bei ihnen sei die Erinnerung an die Geschichte noch wach. Jüngere Menschen kämen vorbei und böten spontan ihre Hilfe an. "Eine junge Frau hat hier sofort den Telefondienst übernommen", sagt Kelm.

Überall in der Stadt laufen mittlerweile kleine Aktionen. Markus Diehl, Koch in der Diakonie der evangelischen Kirche, hat eine "Gulaschsuppe gegen Rechts" gekocht. Von dem Erlös soll ein Teil gespendet werden. Schon nach 20 Minuten waren die 80 Portionen weg. "Hätte ich das gewusst, hätte ich doch das Dreifache gekocht", ärgert er sich. In der kommenden Woche will er seine Aktion deshalb wiederholen. Dann soll es eine Gemüsesuppe geben. (Von Claudia Kuzaj, ddp)

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