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Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Ferdinand Kirchhof (l.) als Vorsitzendem verhandelt über die Klage.

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Bundesverfassungsgericht verhandelt über DNA-Tests: Darf ich wissen, von wem ich komme?

Eine heikle Abwägung: Das Bundesverfassungsgericht will klären, ob DNA-Tests von möglichen Erzeugern erzwungen werden können.

„Ich will einfach wissen, wer ich bin“. So einfach der Wunsch von Ines L. ist, so schwer ist er zu erfüllen. Denn die heute 65 Jahre alte Frau möchte seit Jahren herausfinden, ob jener Mann ihr Vater ist, der dem Standesamt damals ihre Geburt angezeigt hatte. Ihr Bemühen führte sie bis vor das Bundesverfassungsgericht, das seit Dienstag verhandelt, ob Ines L. einen Anspruch darauf hat, ihre Abstammung klären zu lassen. Denn der hochbetagte mutmaßliche Erzeuger weigert sich, dafür eine DNA-Probe abzugeben oder die Vaterschaft einzuräumen.

Die Karlsruher Richter stehen nun vor einer heiklen Abwägung: Was wiegt schwerer? Das Recht, seine genetische Herkunft zu erfahren? Oder, im Fall des möglichen Vaters, das Recht, selbst darüber zu bestimmen, welche Informationen man über sich preisgibt? Überwöge das Klärungsrecht, könnte es künftig einigen familiären Unfrieden geben. Männer, die zum DNA-Test gebeten würden, gerieten unter Erklärungsdruck. Auch solche Folgen müssen die Verfassungsrichter berücksichtigen.

Für die Klägerin war ihre Vaterlosigkeit ein Unglück. Das siebte Kind einer Mutter, der fünf Nachkommen gestorben waren. Aufgewachsen mit einem Partner der Mutter, der trank und schlug. Eine Familientragödie; im Streit erstach ein Stiefbruder der Klägerin den Tyrann, sie selbst erlebte den Horror mit. Den Mann, den sie für ihren leiblichen Vater hält, sah sie dagegen nur selten, nach dem Tod der Mutter Anfang der siebziger Jahre brach der Kontakt endgültig ab. „Ich möchte dem Mann sagen können, was ich mitmachen musste, weil er nie für mich da war“, sagte sie dem „Spiegel“.

Zwar gibt es die Möglichkeit einer gerichtlich angeordneten Vaterschaftsfeststellung. Dann aber nur mit allen rechtlichen Folgen. Ines L. möchte das nicht. Ihr geht es nur um ihre Identität, um die Wahrheit. Zusätzlich kompliziert wird der Fall, weil diese Wahrheit schon einmal juristisch festgestellt wurde. In den fünfziger Jahren, mit den entsprechenden Mitteln, einer Blutgruppenuntersuchung und einem Gutachten zu äußeren Erbmerkmalen. Das Ergebnis war negativ. DNA-Tests gab es noch nicht. Erst im Jahr 2009 wandte sich Ines L. wieder an den Mann und verlangte seine Einwilligung in einen Test.

Das Gesetz ist eindeutig. Kinder können die leibliche Elternschaft nur bei jenen Personen klären lassen, die rechtlich als Vater und Mutter feststehen. Damit hatte der Gesetzgeber 2008 die Diskussion um die Beweiskraft heimlicher DNA-Proben beenden wollen. Die Vorschrift sollte legale Tests ermöglichen und zugleich das Familienheil schützen.

Die Klägerin fordert nun, dieses Recht auf Fälle wie ihren auszuweiten. Ein solches weites Klärungsrecht könnte jedoch Unfrieden in die Familien hineintragen, argumentierte eine Vertreterin des Bundesjustizministeriums in Karlsruhe. Allerdings besteht ohnehin mit Blick auf Samenspende und Leihmutterschaft Reformbedarf. Möglich, dass Karlsruhe bei seinem Urteil in einigen Monaten Vorgaben macht.

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