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Das Wrack eines nach einer Kollision mit einem Lkw völlig ausgebrannten Reisebusses wird an der Unglücksstelle auf der Autobahn 9 bei Münchberg geborgen.

© Matthias Balk/dpa

Busunglück auf der A9: Ermittler konzentrieren sich auf den Fahrer

Nach dem verheerenden Busunglück auf der A9 in Bayern werden Forderungen nach besserer Technik und härteren Strafen laut. Und die Diskussion über Gaffer wird schärfer.

Einen Tag nach dem verheerenden Busunglück auf der Autobahn 9 in Oberfranken schwebten am Dienstag drei Menschen noch immer in Lebensgefahr. Sieben der 30 Verletzten konnten das Krankenhaus bereits verlassen und sind zurück in Sachsen, teilte das Polizeipräsidium Oberfranken mit. Die Aufklärung der Unfallursache werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wie aus der Staatsanwaltschaft Hof verlautete, stehe derzeit als möglicher Verursacher allein der 55-jährige Busfahrer im Fokus, der bei dem Unfall starb. Gegen andere Personen werde nicht ermittelt. Um Unterlagen über den Reisebus und die beiden Fahrer sicherzustellen, ist der Firmensitz des Unternehmens in Sachsen durchsucht worden.

Feuer brach nach dem Zusammenstoß aus

Bei dem Brand nach einem Auffahrunfall waren am Montag auf der Autobahn in der Nähe von Münchberg 18 Menschen in den Flammen gestorben, darunter einer der beiden Busfahrer. Der Unfall hat eine Diskussion über mögliche Sicherheitslücken und notwendige Konsequenzen ausgelöst. Warum sich das Feuer in dem Reisebus so rasch ausbreiten konnte, ist eine der Fragen, die dabei im Zentrum stehen. Zwei Sachverständige, die erste Untersuchungen an dem Bus vornahmen, traten Spekulationen entgegen, das Fahrzeug sei womöglich schon vor dem Zusammenstoß mit dem vorausfahrenden Laster in Brand geraten. „Vieles spricht dafür, das bei dem Bus erst aufgrund der Kollision mit dem Anhänger Feuer ausgebrochen ist“, hieß es am Dienstag.

Erst seit 2015 sind Brandmelder in Bussen vorgeschrieben, ältere Modelle mussten bisher nicht nachgerüstet werden. Das Unfallfahrzeug war drei Jahre alt, bei einer Untersuchung des Tüv im April hatte es keine Beanstandungen gegeben. Experten halten die Ausrüstung mit Brandmeldern ohnehin für unzureichend, sie plädieren für Sprinkleranlagen mindestens im Motorraum. Zugleich müssten die Anforderungen für die Materialien verschärft werden, die im Innenraum verbaut werden. Bei der Bahn dürften leicht entflammbare Stoffe nicht eingesetzt werden, solche Vorschriften müssten in gleicher Weise auch bei Bussen gelten, meint Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer.

Notbrems-Systeme werden abgeschaltet

Ebenfalls erst seit knapp zwei Jahren sind Notbrems-Anlagen in Bussen vorgeschrieben. Bis Ende 2018 müssen ältere Fahrzeuge damit nachgerüstet werden. Diese Assistenz-Systeme arbeiten mit Kameras und Sensoren. Sie signalisieren bei Hindernissen oder großen Geschwindigkeitsunterschieden im Verkehr dem Fahrer mit einem Warnton oder einen Warnlicht die Gefahr. Die modernsten Geräte bremsen das Fahrzeug automatisch ab, wenn der Fahrer nicht reagiert. Bei dem Busunfall auf der A9 soll der Geschwindigkeitsunterschied zwischen dem Laster und dem Bus nach ersten Berechnungen noch rund 30 Kilometer pro Stunde betragen haben. Automatische Brems-Assistenten können derzeit vom Fahrer abgeschaltet werden. Was auch oft geschehe, beklagen die Sicherheitsexperten. Sie fordern, dass es diese Möglichkeit in neuen Geräten nicht geben dürfe.

Rettungsgasse ist Vorschrift

Der Unfall hat auch die Debatte um das Verhalten unbeteiligter Autofahrer neu entfacht. Es geht um die Gaffer auf der Gegenspur oder das Bilden der Rettungsgasse im Stau hinter dem Unfallort. Nach Berichten der Feuerwehr, dass das Durchkommen teils blockiert gewesen sei und so einige Minuten verloren gegangen seien, nannte Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) das Verhalten mancher Autofahrer „unverantwortlich“. Offenkundig ist die Vorschrift, in einem Stau auf jeden Fall sofort eine Rettungsgasse zu bilden, nach wie vor nicht bekannt genug. Immer wieder werden Polizei und Rettungsdienste auf dem Weg zu einem Unfallort behindert, weil Autofahrer nicht nach links und rechts ausgewichen sind. Bei Bundesstraßen oder zweispurigen Autobahnen ist die Gasse in der Mitte freizumachen, bei Autobahnen mit drei Spuren lautet die Regel, dass die Rettungsgasse zwischen der ganz linken und der mittleren Spur freizumachen ist (bei mehr Spuren ebenfalls zwischen der linken und der nächsten Spur). Und zwar auch dann, wenn der Grund für den Stau noch gar nicht erkennbar ist. In der Vorschrift ist sogar von „stockendem Verkehr“ die Rede – die Gasse muss also schon gebildet werden, wenn der Verkehr gar nicht steht und die Kolonnen im Schritttempo rollen.

Weil das offenbar zu häufig nicht klappt, hat die Bundesregierung unlängst beschlossen, die Bußgelder zu erhöhen. Das „Nichtbilden einer Rettungsgasse“ soll daher künftig 55 statt 20 Euro kosten – wohlgemerkt ist das der Einstiegssatz, ohne dass Rettungsfahrzeuge schon tatsächlich behindert werden. Bei einer Behinderung sollen 75 Euro fällig werden, bei einer Gefährdung 95 Euro – und kommt noch Sachbeschädigung dazu, werden es 115 Euro. Einigen zuständigen Ministern in den Ländern ist das freilich zu wenig. Sie fordern mehr, weshalb im Bundesrat am Freitag eine Entschließung zur Abstimmung steht, die höhere Bußgelder verlangt.

Polizei soll stärker kontrollieren

Das „Nichtbilden der Rettungsgasse“ würde gemäß der Forderung des Innenausschusses des Bundesrats mit 105 Euro belegt, bei einer Behinderung wären es 125 Euro, bei einer Gefährdung dürfte die Polizei gleich auf der Autobahn 145 Euro kassieren, mit Sachbeschädigung wären es 165 Euro. Zum Vergleich: In Österreich werden 2000 Euro und mehr fällig. Nicht alle Länderminister halten jedoch die Höhe des Bußgeldes für entscheidend. Herrmann etwa will in Bayern die Polizei stärker kontrollieren lassen – und Autofahrer direkt zur Kasse bitten, die bei Staubildung nicht umgehend ausweichen, um die Rettungsgasse zu bilden. (mit dpa)

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