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Warten auf das Flugzeug. Nicht alle Passagiere in Frankfurt sind so geduldig. Bei Tumulten muss die Polizei eingreifen.

© dpa

Chaos auf Frankfurter Flughafen: Die Ersten verlieren die Nerven

Der Frankfurter Flughafen kämpft mit dem Schnee. Die Lufthansa bittet ihre Kunden, die Bahn zu benutzen, aber die Züge sind ohnehin völlig überlastet. Inzwischen kam es zu ersten wütenden Tumulten.

Die Nerven liegen blank. Was Flugpassagiere und Bahnreisende derzeit durchmachen, ist wahrscheinlich ohne Beispiel. Viele Menschen haben Angst, dass sie es nicht schaffen werden, zum Weihnachtsfest nach Hause zur Familie zu gelangen.

Was sich am Samstag auf dem Frankfurter Flughafen abspielte, könnte ein Vorgeschmack darauf sein, was passieren kann, wenn der Weihnachtsverkehr richtig losgeht. Tumulte aufgebrachter Fluggäste, Polizeibeamte vor der Gepäckabfertigung der Lufthansa, eine schier endlose Warteschlange im Terminal 1, die wenigen Ansprechpartner der Fluggesellschaft sichtlich überfordert – so haben sich die Fluggäste ihren Start in die Winterferien am Samstag nicht vorgestellt. Auch David Michel nicht, der seit 6 Uhr am Samstagmorgen darauf wartet, seinen Flug nach London antreten zu können. „Mein eigentlicher Flug sollte um 7 Uhr 30 gehen und wurde gestrichen. Dann wurde ich in eine Schlange geschickt, von der es nach zwei Stunden hieß, es sei die falsche“, berichtet der junge Mann. Er hat sich damit abgefunden und bleibt gelassen.

Weit weniger entspannt zeigt sich Andrea Behi, die nach Florida will und bereits am Freitagmorgen am Bremer Flughafen ihr Reiseglück versucht hatte. „Nach fünf Stunden wurden wir umgebucht, dann wurde dieser Flug gestrichen und wir bekamen Bahntickets“, erzählt sie aufgebracht. Da aber auch kein Zug fuhr, sei sie mit einem Mietwagen nach Frankfurt gekommen, wo sie seit Samstagmorgen um 8 Uhr warte. „Es ist eine Katastrophe. Die Lufthansa sagt nur, das sei eben so und man buche ja um. Es sind kaum Ansprechpartner da und viel zu wenige Schalter besetzt“, schimpft Behi. Sie glaube nicht mehr daran, dass sie am Wochenende nach Florida komme.

In einer einzigen Schlange stehen die Lufthansa-Passagiere gemeinsam für die Gepäckabfertigung und die Umbuchung annullierter Flüge an. „Alle in einer Schlange, das ist eine miserable Organisation“, sagt Fluggast Daniel Elfering, der schon am Freitag über Paris nach Indien reisen wollte. Nach vier Stunden Warten wurde sein Flug gestrichen, am Samstag hat er sich wieder angestellt. Was Elfering nicht ahnt: Hunderte Meter weiter vor ihm, direkt vor der Gepäckabfertigung, spielen sich tumultartige Szenen ab. Polizeikräfte müssen aufgebrachte Passagiere zur Ruhe bringen, die sich hitzige Debatten liefern. Eine zweite Schlange hat sich dort gebildet, weil Fluggäste ihre regulär startenden Maschinen erreichen und sich zur Gepäckaufgabe vordrängeln wollen. Das wollen diejenigen, die sich seit Stunden die Beine in den Bauch gestanden haben, nicht zulassen und tun das lautstark kund.

„Wir servieren Getränke und Snacks“, beschwichtigt Flughafensprecher Wolfgang Schwalm. Grundsätzlich halte der Flughafen ständig Feldbetten bereit. Auch Unterhaltung wird den Wartenden geboten. So waren gestern als Engel und Nikoläuse verkleidete Mitarbeiter im Terminal unterwegs, um die Stimmung zu verbessern.

Ein Lufthansa-Kunde in Stuttgart berichtete dem Tagesspiegel, sein Flug sei zuerst auf den späten Abend verschoben worden und als er abends wiederkam, sei der Flug zehn Minuten vor der geplanten Abfahrt abgesagt worden. Mehrere Versuche, die Lufthansa telefonisch zu erreichen, um erneut umzubuchen, seien vergeblich gewesen.

Die Lufthansa ist sichtlich verzweifelt. Die Fluggesellschaft sah sich gestern gezwungen, einen Sonderflugplan aufzustellen, der erhebliche Streichungen bei innerdeutschen und innereuropäischen Flügen von und nach Frankfurt vorsieht. Dies sei notwendig, um die gewohnte Stabilität des Flugbetriebs wiederherzustellen, hieß es. Der Wintereinbruch habe zu „erheblichen Störungen des Flugbetriebs und zu einem Rückstau von Passagieren“ geführt. Eine neuerliche Verschlechterung der Wetterbedingungen sei zu erwarten. Fluggäste können sich unter www.lufthansa.com oder der Hotline 0800 / 8506070 kostenfrei informieren. Bei der Air Berlin, die nur wenige Flüge ab Frankfurt anbietet, gab es dagegen gestern kaum Probleme, nur wenige Streichungen und Verspätungen, die meist unter einer Stunde lagen.

„Wir müssen die Leute umbuchen, jeder Passagier wird einzeln betreut, das führt zu langen Wartezeiten“, sagte Lufthansa-Sprecherin Bettine Rittberger. „Alle Mann“ seien in Frankfurt „an Bord“ und bemüht, „den Passagieren bestmöglich weiterzuhelfen“. Man gehe davon aus, dass die Situation bis Sonntagabend andauern wird.

„Innerdeutschen Passagieren raten wir, gar nicht erst zum Flughafen zu kommen, sondern gleich auf die Bahn auszuweichen.“ Aufgrund der Sondersituation könnten die Lufthansa-Tickets problemlos als Bahnticket genutzt werden.

Der Hinweis auf die Bahn dürfte die Reisenden kaum beruhigen. Bereits die schwierigen Straßenverhältnisse hatten bei der Bahn zu einem erhöhten Aufkommen geführt. Als nun auch noch die Fluggäste dazukamen, wurde es eng. Laut Bahn-Sprecher Holger Auferkamp kam es zu einer „teilweisen Überbesetzung von Zügen, Verspätungen und Ausfällen“. Gemessen an dem, was Reisende in Internetforen berichten, ist das eine harmlose Beschreibung. Reisende von Berlin Richtung Hamburg berichten von halbierten, völlig überfüllten Zügen. Andere berichten, dass Züge wegen Überfüllung evakuiert werden mussten. Ein ICE Berlin–Hamburg sei am Freitagnachmittag bei Boizenburg auf offener Strecke liegen geblieben, berichtet Spiegel Online. Erst am Donnerstagabend war ein Regionalexpress von Hamburg nach Lübeck auf offener Strecke liegen geblieben. Heizung und Licht fielen aus. Die Fahrgäste konnten erst nach mehreren Stunden geborgen werden.

„Es rollt alles, was rollen kann, es steht nichts mehr auf dem Hof“, sagte BahnSprecher Auferkamp. Erschwert werde die Situation durch die andauernden Folgen von Brandanschlägen auf Signalanlagen im Raum Magdeburg, die im Zusammenhang mit dem Castor-Transport stehen dürften. Die andauernden Reparaturarbeiten sorgen für Einschränkungen.

Die Bahn bot am Samstag allen Reisenden, die wegen des Winterchaos bei der Bahn auf ihre Fahrt verzichten wollen, an, sie könnten ihre Tickets noch bis Weihnachten kostenlos stornieren. Die Bahn verlängerte eine Anfang Dezember getroffene Regelung am Samstag. Damit fallen beim Rücktritt von bereits gekauften Fahrkarten und getätigten Reservierungen keine Gebühren an.

Relativ entspannt geht es auf den Berliner Flughäfen zu. Zwar wurden auch hier einige Flüge gestrichen und es gab Verspätungen, aber Fluggesellschaften und Flughäfen haben die Lage weitgehend unter Kontrolle. mit dpa

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