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Chiemgauer: Das etwas andere Geld

Mit ihrer eigenen Währung wollen die Chiemgauer der Wirtschaftskrise trotzen. Ein ähnliches Projekt in Prenzlauer Berg steht vor dem Aus.

Die derzeitige Wirtschaftskrise und die Angst vor Inflation könnten eine Konjunktur auslösen: die der Regionalwährungen. Um die Wirtschaftskreisläufe aufrechtzuerhalten und zu fördern, setzt man vor allem in kleineren Wirtschaftsräumen in ländlichen Gebieten schon seit ein paar Jahren auf dieses „Ersatzgeld“. Es sind Währungen, die es nur in der jeweiligen Region gibt und die auch nur dort ausgegeben werden können. Sie haben wohlklingende Namen wie „Justus“ oder „Kirschblüten“. Mittlerweile gibt es über 50 Projekte in ganz Deutschland.

Schon seit 2003 kann man in der Region Chiemgau in Bayern mit speziellen bunten Scheinen zahlen – dem „Chiemgauer“. Parallel zum Euro hat sich ein eigener Wirtschaftskreislauf entwickelt, den Initiator Christian Gelleri als „Erfolgsprojekt“ beschreibt. Ist der „Chiemgauer“ doch nach Angaben der Entwickler das größte Regionalgeldprojekt Europas, das durch den Euro gedeckt wird. Das Projekt verbuchte im Vorjahr ein Wachstum von 30 Prozent des „Chiemgauer“-Volumens. Waren es zu Beginn nur eine Handvoll örtlicher Betriebe, die die neue Währung als Zahlungsmittel akzeptierten, sind es mittlerweile 600 Unternehmen, die ihre Preise auch in „Chiemgauer“ berechnen. Sie veranschlagen nach Schätzung Gelleris 10 bis 15 Prozent ihres gesamten Umsatzes in der regionalen Währung. In der Region zirkuliert ein Volumen von über 300 000 Euro in „Chiemgauern“.

Wer sein Geld in die Regionalwährung wechseln möchte, kann das bei jeder offiziellen Wechselstube im Chiemgau machen. Amtlicher Wechselkurs zum Euro ist 1:1. Damit mit dem neuen Geld auch wirklich die regionale Wirtschaft angekurbelt und es rasch wieder ausgegeben wird, verliert jeder „Chiemgauer“, der mehr als drei Monate in der Geldbörse bleibt, seinen Wert und muss durch eine Wertmarke für weitere drei Monate verlängert werden. Das kostet aber zwei Prozent des Originalwertes. Um die „Chiemgauer“ wieder in Euro zu wechseln, muss man mit einer weiteren Gebühr rechnen. Für jeden Umtausch werden fünf Prozent Bearbeitungsgebühr abgezogen, wovon drei Prozent einem gemeinnützigen Zweck in der Region zugutekommen. „Durchschnittlich wechselt jeder ,Chiemgauer‘-Schein aber fünfmal den Besitzer, bevor er zurückgetauscht wird“, sagt Gelleri.

In diesem raschen Wertverlust sieht Finanzexperte Gerhard Rösl von der Fachhochschule Regensburg die Problematik von Regionalwährungen: „Der einzige Gewinner in diesem Kreislauf ist die Regionalbank, die das Geld deckt. Alle drei Monate erhalten die zwei Prozent Zinsen, das sind im Jahr satte acht Prozent Zinsen Gewinn, und das ganz ohne Risiko.“

Christian Gelleri dagegen ist sich sicher, dass Regionalwährungen Unternehmen in Krisenzeiten unterstützen können: „Diese Währungen sind eine Chance für alle Beteiligten des Netzwerks. Jeder Konsument weiß, wie und wo sein Geld eingesetzt wird und was damit passiert. Das ist in Zeiten der Globalisierung nicht mehr selbstverständlich.“ Kritiker Rösl hält entgegen: „Abschottung der Region kann keine Alternative sein. Zuerst schädigt man die Konsumenten, die vielleicht woanders einkaufen wollen, und dann schadet man anderen Regionen, denen die Kaufkraft der Chiemgauer abhandenkommt.“ 2007 wurde ein elektronisches Zahlungssystem für die Regionalwährung eingeführt. Nun können Großhändler und Einzelhändler ihre Geschäfte auch untereinander in „Chiemgauern“ abrechnen. Noch in diesem Jahr soll es möglich sein, in Kooperation mit dem Deutschen Mikrofinanzinstitut und der GLS-Bank, „Chiemgauer“-Kredite aufzunehmen.

Auch in Berlin, in Prenzlauer Berg, gibt es seit 2004 eine eigene Währung. Der „Berliner“ sollte den Bewohnern wieder ein „Bewusstsein für die Unternehmen in ihrer Umgebung geben“, sagt Susanne Thomas von der „Grünen Liga Berlin“, die das Projekt betreut. Trotz großer Anstrengungen steht es aber nun vor dem Aus. „Wir haben es nie geschafft, den Berliner von der ehrenamtlichen Mitarbeit auf eine professionelle Ebene zu heben“, nennt Thomas den Grund für das geplante Einstellen der Geldproduktion.

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