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China: Speed Dating im Park

In China heiraten junge Menschen immer seltener, man spricht sogar von einer Single-Krise. Die besorgten Eltern eröffnen Heiratsbörsen, auf denen sie die Vorzüge ihrer Kinder anpreisen.

Es könnten Demonstranten sein, diese Menschen, die an einem heißen Junisonntag im Zhongshan-Park in Peking mit selbst gemalten Pappschildern herumlaufen. Dass sie es nicht sind, weiß man, wenn man die Schilder liest. 25 Jahre alt, steht da etwa, weiblich, 1,60 Meter groß, Hochschulabschluss. Oder: männlich, 29 Jahre, 1,79 Meter, Ingenieur. Jeden Donnerstag und Sonntag versammeln sich hier im Park am Westrand des alten Pekinger Kaiserpalastes mitunter Hunderte von Eltern, die versuchen, einen Ehepartner für ihr Kind zu finden.

Frau Wang hat kleine Zettel mitgebracht, die sie an Interessenten verteilt, auf ihnen steht handschriftlich: weiblich, 26 Jahre alt, 1,65 Meter groß, Schauspielerin, Diplom der Filmhochschule Peking. Sie suche, sagt Frau Wang, einen Mann, der ihrer Tochter ein erfülltes Leben bieten könne. Was für eine Arbeit er habe, sei nicht wichtig, bloß das Einkommen müsse stimmen. Und lieben, fügt Frau Wang hinzu, müsse er die Tochter natürlich auch.

Die Tochter selbst steht ein bisschen abseits, sie ist attraktiv, trägt Jeans und ein modisches lila Oberteil, ihre Frisur ist aufwendig. Braucht ein so hübsches Mädchen wirklich seine Mutter, um einen Mann zu finden? Frau Wang lacht. Es habe natürlich schon einige Anwärter gegeben, sagt sie, aber der Richtige sei bislang nicht dabei gewesen. „Ich bin meiner Mutter dankbar“, sagt die Tochter. Die Frage, ob unter den Kandidaten, die die Mutter ausgesucht habe, schon ein vielversprechender Mann gewesen sei, beantwortet sie nicht. Sie lächelt nur höflich.

Als sie mit ihrer Mutter fortgeht, geht hinter ihrem Rücken das Getuschel los: Ob man die Augenbrauen des Mädchens gesehen habe, fragt eine der Frauen, die seien ja gar nicht echt gewesen. Überhaupt sei das Mädchen sehr hochnäsig, sagt eine andere. An jedem Mann habe sie etwas auszusetzen, mal sei ihr die Wohnung nicht groß genug, mal das Auto zu klein. Eine andere Dame – sie heißt Frau Schen – sieht das offenbar anders. Sie will wissen, ob sich jemand die Telefonnummer des Mädchens notiert habe, vielleicht sei die ja etwas für ihren Sohn. Der habe mit 32 Jahren noch immer nicht die richtige Frau gefunden. Nicht älter als 28 solle das Mädchen sein, der Beruf sei nicht so wichtig, Hauptsache, sie passe zu ihrem Sohn und kümmere sich gut um ihn. Auf die Frage, ob der Sohn von ihren Vermittlungsversuchen wisse, muss Frau Schen lachen. Ja, sagt sie, er wisse davon – allerdings erst seit heute Morgen. Wie er reagiert habe? Frau Schen druckst einen Moment herum. Nun ja, sagt sie, richtig begeistert sei er nicht gewesen. Aber das werde sich schon noch ändern, wenn sie ihm erst einmal ein nettes Mädchen vorgestellt habe.

In China ist in den vergangenen Jahren immer wieder von einer Single-Krise die Rede gewesen. So haben statistische Erhebungen in Schanghai im vergangenen Jahr einen Anstieg der ledigen Bevölkerung auf insgesamt 15 Prozent festgestellt. Besonders die ältere Generation sieht das mit Sorge. Zusammenkünfte wie im Zhongshan-Park gibt es inzwischen auch in anderen Städten, sogar ein Film handelt davon. In „Das Glück im Park“ erzählt die Regisseurin Yin Lichuan, wie ein Vater versucht, seine Tochter auf diese Weise an den Mann zu bringen. „Die Eltern sind sehr schüchtern, aber sie glauben, sie müssen das tun“, sagt E. N. Hu, die Produzentin des Films.

Das sehen die Jüngeren nicht unbedingt gerne. Ein Mann Mitte 20, der auch im Zhongshan-Park ist, sagt, er wisse aus seinem Bekanntenkreis, dass die Eltern selten Erfolg mit ihren Bemühungen hätten. „Von meinen Freunden würde sich niemand auf so etwas einlassen.“ Auch unter den Eltern selbst ist man sich nicht ganz einig, wie hoch die Erfolgsquote ist. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Vermittlung fällt niemandem ein. Das liege aber nur daran, sagt eine der Frauen, dass die Leute ja nicht mehr in den Park kämen, wenn sie Erfolg gehabt hätten – man höre dann nichts mehr von ihnen. Einige der Umstehenden nicken.

Ringsum werden derweil die Vermittlungsgespräche fortgesetzt. Eltern preisen die Vorzüge ihrer Kinder, berichten von Studienerfolgen, präsentieren stolz ihre Fotos. Wer dem Treiben eine Weile zusieht, wird den Eindruck nicht los, dass der soziale Kontakt zwischen den Eltern bei den Treffen mindestens ebenso so wichtig ist wie das vermeintliche Glück der Kinder. Wie zur Bestätigung erklärt ein älterer Mann, der sich mit einem Fächer kühlende Luft zuwedelt, er finde es gut, dass heutzutage in chinesischen Parks auch Aktivitäten wie diese möglich seien – immer nur spazieren gehen, das sei doch langweilig.

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