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Panorama: Chinesischer Aberglauben: Die Angst vor der tödlichen Handynummer

Der "Zhongfu"-Markt, ein moderner Handyshop in der Pekinger Innenstadt, sieht nur auf den ersten Blick wie ein normaler Telefonladen aus. Zwar sind im ersten Stock des Geschäfts all die Nokia, Ericsson, Siemens und anderen High-Tech-Handys aufgereiht, die das Herz besser verdienender Chinesen hochschlagen lassen.

Der "Zhongfu"-Markt, ein moderner Handyshop in der Pekinger Innenstadt, sieht nur auf den ersten Blick wie ein normaler Telefonladen aus. Zwar sind im ersten Stock des Geschäfts all die Nokia, Ericsson, Siemens und anderen High-Tech-Handys aufgereiht, die das Herz besser verdienender Chinesen hochschlagen lassen. Das eigentliche Geschäft findet jedoch im zweiten Stockwerk statt.

Hier werden die Telefonnummern für die Handys vergeben - besser gesagt verkauft: Je mehr "Glücksziffern" in einer Nummer enthalten sind, desto teurer ist sie. Manch ein neureicher Chinese investiert hier ein kleines Vermögen.

Auf einer Wandtafel mit roten Neonziffern leuchten Dutzende verschiedene Handynummern zum Erwerb auf. "Das ist nur das Normal-Angebot", erklärt die Verkäuferin und zieht eine Liste mit den derzeitig erhältlichen Spezialnummern hervor. "Das ist derzeit eine unserer besseren - drei Mal die Ziffer Acht", sagt sie und deutet stolz auf eine Nummer mit den Endziffern "8898". "Reichtum" und "Langes Leben" bedeute die Nummer dem chinesischen Aberglauben nach, erklärt die Verkäuferin. Deshalb sei sie auch nicht ganz billig: 1220 Yuan - umgerechnet 370 Mark - kostet die Glücksnummer - mehr als die meisten Handys in dem Geschäft.

Noch besser sei natürlich eine "888", fügt die Verkäuferin im vertraulichen Flüsterton hinzu. Die würde jedoch "mindestens 10 000 Yuan" kosten - 2500 Mark.

Der Handel mit den glücksbringenden Handy-Nummern ist ein Zeichen dafür, dass mit der wirtschaftlichen Öffnung in China die alten Traditionen und der Volksglaube wieder an Bedeutung gewinnen. Zahlen spielen in der chinesischen Mythologie seit jeher eine besondere Rolle. Weil sich Acht (Hochchinesisch: "ba") so ähnlich wie das Wort "Reichtum" ("fa") anhört, gilt die Ziffer als besonders glücksbringend. In Anlehnung an ein Sprichwort steht Sechs ("liu") für ein glattes, reibungsloses Leben. Die Neun ("jiu") gilt als Glückszahl, weil sie so ähnlich wie "Ewigkeit" klingt und ein langes Leben verspricht. Zehntausende chinesische Hochzeitspaare warten jedes Jahr mit der Trauung auf den 9. September (9.9), weil der Tag als besonders glücksbringend gilt.

"Ich will reich werden"

Da die chinesische Sprache nur aus wenigen Silben besteht, klingen manche Zahlenkombinationen wie eigene Sätze: 518 ("wu yao ba") hört sich beispielsweise auf Hochchinesisch an wie "Ich will reich werden". In Hongkong und Südchina ist dagegen die 289 sehr bewährt. Auf Kantonesisch klingen die Ziffern wie ein Werbeslogan aus einem Bankprospekt: "reibungsloser, lang andauernder Reichtum".

Da ist es nicht verwunderlich, dass die besondere Handynummer für Chinas Reiche und Mächtigen zu einem Statussymbol geworden ist. Einen Mercedes mit vergoldetem Nummernschild kann sich heute jeder kaufen. An eine seltene glücksbringende Handynummer kommt man dagegen sehr viel schwerer ran.

Staatliche Telekomgesellschaften in den Provinzen versteigern manchmal die vermeintlichen "Glücksnummern" auf öffentlichen Auktionen. Im südlichen Hainan zahlte ein Geschäftsmann für eine Nummer mit den Endziffern "888" die stolze Summer von 81 000 Yuan. Für einen Rekord sorgte bisher die Versteigerung einer fünffachen Acht in der Provinz Henan. 300 000 Yuan (75 000 Mark) ließ sich ein anonymer Privatmann die statusträchtige Handy-Verbindung kosten.

Weil seltene Nummernfolgen jedoch begehrt sind, ist um die Handynummern mittlerweile ein einträglicher Schwarzhandel entstanden. Dubiose "Nummernhändler" verkaufen die Nummern auf Straßenmärkten und vor den staatlichen Telefonbüros an zahlungswillige Geschäftsleute. Häufiger jedoch sind es jedoch Regierungsoffizielle und Parteikader, die sich die seltensten Nummern unter den Nagel reißen. "Die wirklich guten Nummern sind bei den Regierungsleuten", sagt der amerikanische Telekom-Experte Dan Brody in Peking. Manche seiner Geschäftspartner in den chinesischen Ministerien hätten solche Spezialnummern als Privathandys.

Wer weder Beziehungen noch viel Geld hat, für den bleiben Läden wie der "Zhongfu"-Markt in Peking. Mehr als 65 Millionen Chinesen haben heute ein Handy, und für viele gehört es zum guten Ton, dass man zumindest eine Glücks- oder eine Doppelzahl in der Nummer hat. Für 920 Yuan (230 Mark) könne man zum Beispiel eine Endziffer "9808" erwerben, erklärt die Verkäuferin. Eine einfach zu merkende "2255" gibt es für die Hälfte.

Zum Schluss hält sie noch eine Liste mit Nummern hin, in denen die Ziffer 4 häufig vorkommt. "Die sind besonders billig - nur 350 Yuan", sagt die Verkäuferin mit schmeichelnder Stimme. Die "Vier" wird von Chinesen streng gemieden.

"Vier" ("si") klingt auf Chinesisch genauso wie das Wort "Tod".

Harald Maass

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