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Panorama: Concorde-Absturz: Die Identifizierung der Opfer beginnt

Der zweite Tag nach dem Absturz der Concorde bei Paris stand ganz im Zeichen der Trauerveranstaltungen in Frankreich und Deutschland. Am Donnerstagabend kamen über 1000 Trauernde in der Pariser Kirche Madeleine zusammen, um einen ökumenischen Gottesdienst zu feiern.

Der zweite Tag nach dem Absturz der Concorde bei Paris stand ganz im Zeichen der Trauerveranstaltungen in Frankreich und Deutschland. Am Donnerstagabend kamen über 1000 Trauernde in der Pariser Kirche Madeleine zusammen, um einen ökumenischen Gottesdienst zu feiern. Auch Vertreter der jüdischen Gemeinde waren gekommen. Die Lesungen wurden auf Französisch und Deutsch gehalten. Viele der Gäste mussten vor dem Gotteshaus bleiben - es konnte die Menge nicht fassen. Die Bundesregierung wurde durch Außenminister Joschka Fischer und Verkehrsminister Reinhard Klimmt vertreten, der französische Staat durch Innenminster Jean-Pierre Chévenement und Klimmts Amtskollegen Jean-Claude Gayssot. Anwesend waren auch viele Piloten und Stewardessen der Fluggesellschaft Air France in ihren Uniformen. Gleichzeitig mit einer Schweigeminute in der Kirche hielten auch die Reisenden auf den beiden Großflughäfen der französischen Hauptstadt inne.

Bereits am Mittwochaben kamen angereiste Hinterbliebene der Opfer trafen in der Gemeindehalle von Gonesse nahe dem Flughafen Charles-de-Gaulle zu einem improvisierten Gottesdienst zusammen, um mit Staatschef Jacques Chirac und seiner Frau Abschied von den Toten zu nehmen. Der Präsident nahm sich die Zeit, mit jedem einzelnen zu sprechen. "Das war sehr würdevoll," sagte eine junge Frau aus Mönchengladbach. Anschließend wurden sie zum Unglücksort gefahren. Aus einer Entfernung von mehr als zehn Metern blickten sie auf den verkohlten Schrottberg. Einige kamen in einem nahen Feld zu einer Gedenkminute zusammen. Dann fuhren sie mit Autobussen in ihre Hotels. Auf dem Wege zur Absturzstelle hatten Unbekannte rote Rosen gestreut.

Unterdessen begann am Donnerstag im Gerichtsmedizinischen Institut in Paris die Identifizierung der Opfer. Franzosen hatten vor dem Portal Blumen abgelegt. Minister Klimmt sagte gegenüber der Presse, die Identifizierung der sterblichen Überreste werde sich als sehr schwierig erweisen. Auch wegen der Formalitäten in Frankreich werden die meisten Angehörigen die Toten nicht schnell in die Heimat überführen können.

Bis zum Morgengrauen des Donnerstags hatten über 40 Mediziner, Katastrophen- Experten und Sicherheitsbeamte im verbrannten Schutt nach Spuren und Material zur Identifizierung gesucht. Die französischen Medien verzichteten auf detaillierte Beschreibungen vor Ort. Bekannt wurde gestern nur, dass Feuerwehrleute, die gleich nach dem Absturz an die Unfallstelle eilten, später psychologisch betreut werden mussten. Der Anblick sei "entsetzlich, grausam und inhuman" gewesen.

Inzwischen treten die Hintergründe des Absturzes der Überschall-Passagiermaschine klarer zu Tage. Einer der Flugschreiber sei ausgewertet, der zweite in Arbeit, teilte die Flugunfall-Behörde von Air France mit. Über 300 "Informationselemente" müßten analysiert werden. Ihre Schlussfolgerungen sollten noch am Donnerstagabend mitgeteilt werden. Sicher ist bisher jedenfalls, dass die Panne des zweiten Motors den Brand während des Starts noch auf der Piste ausgelöst hat.

Der Triebwerkdefekt war schon nach der Rückkehr der Maschine aus New York am Dienstagmorgen gemeldet worden. Concorde-Kommandant Jean Marcot bestand 30 Minuten vor dem Rückflug in die USA darauf, den Hydraulikmotor auszutauschen. Ob dieser aus einer ausgemusterten Concorde stammt, war nicht zu erfahren. Experten meinten gestern, Marcot hätte auch ohne Reparatur fliegen können. Sie bezweifelten, dass der Eingriff die Ursache des Brandes sei. Eine weitere Schwierigkeit meldete "Le Monde": Concorde-Piloten seien in ihrem engen Cockpit nicht in der Lage, Brände am Hinterteil der Maschine zu sehen. Aus der Informationsfülle des Elektroniktableaus sei ein Feuerausbruch nicht herauszulesen.

Ein neuer Amateurfilm zeigt, dass das Unglücksflugzeug mit einem breiten und langen Feuerschweif abgehoben hatte. Vom Kontrollturm auf den Brand aufmerksam gemacht, antwortete der Kommandant, er könne nicht bremsen und müsse den Anstieg fortsetzen. Ein ehemaliger Pilot sagte dazu: "In dieser Phase schießt die Concorde wie eine Raketen in den Himmel!" Air France-Fachleute wollen alle Augenzeugen vorladen, um ihre Aussagen und Beobachtungen mit den Flugdaten der Stimmenrecorder zu vergleichen.

Lutz Hermann

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