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Panorama: Concorde: Wieder oben

Knapp ein Jahr nach der Katastrophe von Paris ist gestern nachmittag eine Concorde vom Londoner Flughafen Heathrow aus zu einem rund dreieinhalbstündigen Testflug über dem Atlantik gestartet. Dabei wurden erstmals in der Luft die Veränderungen an dem Überschalljet getestet.

Knapp ein Jahr nach der Katastrophe von Paris ist gestern nachmittag eine Concorde vom Londoner Flughafen Heathrow aus zu einem rund dreieinhalbstündigen Testflug über dem Atlantik gestartet. Dabei wurden erstmals in der Luft die Veränderungen an dem Überschalljet getestet. Sie sollen eine Wiederholung der Kettenreaktion ausschließen, die zu dem Absturz führte, der 113 Menschen das Leben kostete. Die Luftverkehrsgesellschaften Air France und British Airways als einzige Betreiber hoffen, die Concorde im Herbst wieder in den Liniendienst stellen zu können.

Am 25. Juli vergangenen Jahres war eine Concorde der Air France gleich nach dem Start vom Pariser Charles-de-Gaulle-Flughafen abgestürzt. Mit ihr wollten 100 deutsche Urlauber zu einer Kreuzfahrt nach New York fliegen. Durch ein auf der Startbahn liegendes Metallteil einer zuvor gestarteten Maschine war ein Reifen des Fahrwerks geplatzt. Gummiteile wurden mit solcher Wucht gegen die Tragfläche geschleudert, dass im darin befindlichen Treibstoffbehälter eine Schockwelle entstand. Sie ließ den Tank platzen, das austretende Kerosin entzündete sich. Mit insgesamt 300 Millionen Mark erhielten die Hinterbliebenen der Opfer erst kürzlich das höchste Schmerzensgeld, das jemals nach einem Flugzeugunglück in Europa gezahlt wurde.

Kurz nach der Katastrophe hatten die Behörden den fünf verbliebenen Maschinen der Air France und den sieben Maschinen der British Airways die Zulassung entzogen. Danach durfte nur noch eine französische Maschine zu Bodentests von Paris nach Istres fliegen. Beide Luftverkehrsgesellschaften sind seitdem bemüht, in enger Zusammenarbeit mit den Herstellerfirmen EADS und British Aerospace die Voraussetzungen zu schaffen, die Überschalljets wieder in Betrieb zu nehmen. Denn ungeachtet des Unglücks ist die Nachfrage der kaufkräftigen Passagiere, denen die bei zweifacher Schallgeschwindigkeit halbierte Flugzeit nach New York deutlich mehr als den üblichen First Class-Tarif wert ist, ungebrochen.

90 Millionen Mark lässt sich allein British Airways die Arbeiten kosten, bei denen auch gleich die Kabinen eine neue Ausstattung für noch mehr Komfort erhalten. Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehören die Auskleidung der Tragflächentanks mit einer reißfesten, hitzebeständigen Kevlar-Gummi-Mischung, die Verstärkung der Verkabelung im Fahrwerksbereich, die Unterbrechung der Stromzufuhr der Radbremsen in der Startphase, die Montage neuer, durchschlagsicherer Reifen sowie die Installation eines verbesserten Brandmeldesystems.

Die jüngste, 1979 gebaute Concorde der British Airways ist die erste Maschine, die in der Wartungsbasis Hatton Cross komplett modifiziert wurde. Der Überschalljet mit dem Rufzeichen "Alpha Foxtrott" hatte zur Vorbereitung des gestrigen Probefluges bereits am 4. Juli in Heathrow einen rund einstündigen Rolltest unternommen, bei dem alle am Boden benötigten Systeme wie Steuerung, Bremsen, Funkanlage und Navigationscomputer getestet wurden.

Beim gestrigen Testflug, der von der südlichen Piste des Heathrow-Airports startete, saßen der Concorde-Chefpilot der BA, Mike Bannister, und der oberste Testpilot der britischen Luftfahrtbehörde CAA, Jock Reid, im Cockpit. Sie wurden durch ein Team von Ingenieuren der Luftverkehrsgesellschaft und der Herstellerfirma begleitet. Der Kurs folgte zunächst der normalen Route für Transatlantikflüge und führte über Bristol und den Westen Irlands hinaus über den Atlantik. Dort wurde nach Norden in Richtung Island abgedreht.

Dabei sollte die Concorde mit rund 2150 km/h die doppelte Schallgeschwindigkeit erreichen und auf eine Höhe von bis zu 18 000 Metern steigen. Ziel war es, die modifizierte Maschine unter den Bedingungen zu testen, wie sie auch auf einem normalen Linienflug zwischen Europa und Nordamerika herrschen. Das ist notwendig um festzustellen, ob die zuvor nur theoretisch errechneten Werte über die Auswirkungen der Umbauten beispielsweise auf den Treibstoffverbrauch, die Kraftstoffleitungen und die Tankanzeigen mit den tatsächlichen Werten übereinstimmen.

Nach dem Testflug über dem Atlantik landete "Alpha Foxtrott" nicht wieder in Heathrow, sondern auf der 3000 Meter langen Piste des Militärflugplatzes Brize Norton westlich von London. In den nächsten Wochen werden die Ergebnisse des Testfluges analysiert und an die Luftfahrtbehörden weitergeleitet.

Man hoffe, die Linienflüge mit der Concorde bereits im September wieder aufnehmen zu können, sagte British Airways-Sprecherin Karen Herzog gestern. Bei der Air France hat man sich bisher nicht so konkret geäußert, aber auch den Herbst als angestrebten Zeitpunkt für die Rückkehr zum Überschallverkehr genannt. Beide Gesellschaften nehmen noch keine Vorreservierungen entgegen, verweisen aber auf ein reges Kundeninteresse.

Rainer W. During

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