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Da lacht das Pferd: Lukas Podolski lernt in London Cockney-Englisch

Lukas Podolski beeindruckt mit der alten Arbeitersprache seine neuen Fans vom FC Arsenal. Es gibt viele Theorien, woher der Cockney-Slang stammt. Und es gibt eine Anekdote.

Mit Turnschuhen, Jeans und Arsenal- Sweatshirt sitzt Lukas Podolski an einem kleinen Tisch, er sieht aus wie ein zu groß geratener Schuljunge. „Los geht’s.“ Podolski spielt mit seinem Kugelschreiber und blickt konzentriert auf seinen Notizblock. „Ich war im Fatboy Slim mit meinem Ärger und gehe anschließend in die Reifenpflege für ein paar Britney Spears“, erzählt der Stürmer des FC Arsenal in Englisch und freut sich ausgelassen über das Lob seines Lehrers, der Arsenal-Legende Ray Parlour: „Fantastisch. Wirklich genial.“ Denn der deutsche Nationalspieler lernt Cockney-English, und das finden Podolski und sein Lehrer so lustig, dass sie den Unterricht vor laufenden Kameras inszenieren. Das Video ist mittlerweile ein Hit im Internet.

Über Cockney gibt es viele Theorien. Der Dialekt und seine berühmten Reime, der sogenannte Cockney Rhyming Slang, gingen aus einem Spottnamen der Londoner Bürger hervor und bezog sich im 16. Jahrhundert auf Menschen, die in Hörweite der Glocken der Kirche St. Mary-leBow geboren wurden. Diese Kirche existiert seit langem nicht mehr. Das Wort setzt sich einer Erklärung zufolge aus den Vokabeln „cock“ and „egg“ zusammen, ein Hahnenei, also Hahnenkot. Cockney wird in erster Linie von alteingesessenen Einwohnern East Londons gesprochen. Der Dialekt galt viele Jahrhunderte als Sprache der dortigen Arbeiterklasse, wurde verachtet und als minderwertig betrachtet. Der Engländer Francis Grose führte den Dialekt in seinem „Klassischen Wörterbuch der Vulgärsprache“ auf eine Anekdote zurück. Ein Ostlondoner hörte ein Pferd wiehern und rief: „Herr, was das Pferd lacht!“ Ein Nebenstehender berichtigte den Ostlondoner. Der wollte am nächsten Morgen, als der Hahn krähte, zeigen, dass er das Gelernte nicht vergessen hatte und rief aus: „Hören Sie, wie der Hahn wiehert?“ – „Do you hear how the cock neighs?“ Die englische Bildungskonferenz von 1909 nannte den Dialekt unerfreulich und eine moderne Verfälschung, unwürdig als Sprache einer jeden Person der Hauptstadt des englischen Empires. Das hat sich geändert – und zwar nicht erst, seitdem der neue Liebling der Arsenal-Fans Cockney lernt.

Video: Wie Poldi Cockney lernt

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Der Dialekt gewann schon im 20. Jahrhundert immer mehr an Popularität in Fernsehproduktionen, Radioshows oder Büchern. Auch wegen des Cockney Rhyming Slang. Diese umgangssprachlichen Reime sind eine Spezialität des Dialekts, an denen sich auch unser Nationalspieler so eifrig versucht. Darin werden bestimmte Wörter durch einen Reim ersetzt, der sich aus zumeist zwei Wörtern zusammensetzt. So wird aus „beers“ nicht einfach nur „Spears“, sondern „Britney Spears“ und aus „wife“ wird „trouble and strife“. Der Begriff „pub“ wird durch den Reim „Rubber Dub“ ersetzt und aus „gym“ wird schnell „Fatboy Slim“. Zu den bekanntesten Reimen gehören „apples and pears“ für „stairs“, „dog and bone“ für „telephone“ oder „mince pies“ für „eyes“. Beliebt ist auch das Ersetzen von „feet“ durch „plates and meat“. Geübte Cockney-Sprecher lassen dann aber auch gern das zweite Wort, also den eigentlichen Reim wieder weg, so dass statt „beers“ nur noch „Britney“ gesagt wird. Aber das ist etwas für Fortgeschrittene. Oft wird es derart kompliziert, dass der Außenstehende kaum noch etwas versteht. Auch deshalb wurde Cockney schon als Geheimsprache verwendet. Im Film „Snatch“ probierte es Brad Pitt und scheiterte kläglich. Das sei kein Cockney, sondern Pikey, meinten die Kritiker.

Umso höher ist es wohl Lukas Podolski anzurechnen, dass er ernsthaft versucht, Cockney zu lernen. In den Userkommentaren zum Video bemerkten einige Fans, dass Podolskis Cockney-Englisch besser sei als sein Deutsch. Der Kölner meistert die Schulstunde souverän, verhaspelt sich nur selten und übt breit grinsend. Lukas Podolski dürfte damit endgültig die Herzen der East Londoner erobert haben. Berühmte Cockney-Sprecher sind Charlie Chaplin, John Terry, Adele, Ben Kingsley, Pete Doherty, Phil Collins, David Beckham, Lily Allen oder Kate Nash.

Podolski ist übrigens nicht der erste prominente Fußballer des  Klubs, der sich an den Cockney-Dialekt wagt. Ray Parlour brachte bereits dem niederländischen Nationalspieler Dennis Bergkamp und dem französischen Nationalspieler Thierry Henry die kuriosen Ausrücke bei. „Ich habe Henry damals vor einem Interview gesagt: ,Sag einfach, dass wir ein bisschen Glück hatten mit den Bohnen auf dem Toast.’“ Henry wiederholte das vor laufenden Kameras – und die Fans waren begeistert, dass der Franzose ihnen die Ehre erwies, den diskriminierten Slang extra zu lernen. Wer als Ausländer Cockney lernt, kann also nicht nur anderen Ausländern imponieren, sondern verschafft sich auch bei den Cockneys selbst Respekt. Seit Thierry Henry haben die Lektionen in Cockney-Englisch mit Parlour Berühmtheit erlangt, weil Parlour nach eigener Aussage „kein Englisch kann“. Er könne nur diesen Dialekt, und den bringe er nun den prominenten Zugängen des FC Arsenal bei. Bleibt abzuwarten, ob Lukas Podolski seine neuen Kenntnisse beim nächsten BBC-Interview einsetzen wird.

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