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Panorama: Da schau her

Bettina Schoenbach ist die Designerin, die das Outfit von Angela Merkel verändert hat

Es ist natürlich nicht ganz ungefährlich, Angela Merkel einzukleiden. Denn erstens ist die Kanzlerin keine Frau, die sich gern stundenlang in Schale wirft. Und zweitens gibt es kaum eine Schale, die so scharf beobachtet wird wie die der Kanzlerin.

Bettina Schoenbach heißt die Designerin, die Deutschlands erste Dame einkleidet. Die Hamburgerin tut das gewöhnlich in aller Stille, jetzt aber hat sie sich ein Stück herausgewagt aus der Kammer, in der Stylisten und Kanzlerzofen sonst werkeln. Sie hat ihre Kundschaft ins Adlon eingeladen, in die holzvertäfelte Lindensuite, wo sie ihre Kollektion präsentiert. Eine lebhafte Person mit einem gewinnenden Lachen lässt da feine Stoffe durch ihre Finger rinnen, ermutigt gut betuchte Damen, in Paillettenröcke zu steigen, in ein raschelndes Fransenkleid, Solides in Moosgrün oder den blutroten Divenmantel „für den Auftritt auf dem roten Teppich“.

Diskreter Luxus für etablierte Businessfrauen, Moderatorinnen oder junge Ballköniginnen, das ist so in etwa, was hier angeboten wird. Doch mit den Kleidern verkauft Bettina Schoenbach auch ein nicht ganz unwichtiges Nebenprodukt: den Spaß an der Inszenierung des eigenen Körpers, den Frauen in Spitzenpositionen oft erst entdecken müssen. „Niemand braucht auszusehen wie Jackie O.“, sagt die Designerin. „Aber warum soll ich ein sachliches Thema nicht noch besser rüberbringen, weil ich perfekt angezogen bin?“

Nun kann man sich natürlich gut vorstellen, dass sie so etwas gern mal der Bundeskanzlerin mit auf den Weg gibt, die als gelernte Physikerin ja eher zu denen gehört, die aufs Sachliche und weniger aufs Sinnliche setzen.

Bettina Schoenbach aber will das so nicht gesagt haben. Überhaupt verrät sie keine persönlichen Details über ihre Kundin. Aus Sicherheitsgründen. Und weil sie die Frau offenbar sehr schätzt, über deren Haare, Mäntel und Opernkleider so hämisch gespottet wurde wie bei keiner anderen politischen Gestalt.

Das mit dem Spott ist ja jetzt vorbei, sagt Bettina Schoenbach und schwärmt, wie sehr Angela Merkel sich verändert hat. Die Frisur, die Schminke, das ganze Outfit lasse sie jünger wirken. „Das ist ein sehr schöner Wandel, und auf den kann sie natürlich extrem stolz sein.“ Nun ist die Restaurierung einer Politikerfassade natürlich Arbeit, zumal Bettina Schoenbach die Kanzlerin bei allen wichtigen Anlässen einkleidet. Den dunkelblauen Hosenanzug fürs Fernsehduell mit Gerhard Schröder hat man natürlich gemeinsam ausgesucht. Antrittsbesuch bei Bush, Staatsvisite bei Putin, jedes Event kann bis zum letzten Accessoire vorbereitet werden.

Kann. Aber muss nicht. Denn die Bundeskanzlerin darf ihren Kleiderschrank natürlich auch allein aufmachen und rausziehen, was ihr so gefällt. Am Geburtstag der großen Koalition etwa kleidete sie sich schwarz-rot, was einen Beobachter irgendwie an eine Eiskunstläuferin erinnerte. Bettina Schoenbach hat dieses Outfit nicht zusammengestellt. Es ist nun mal so, dass jede Kundin am Ende anzieht, was sie will. „Es wird niemand verzaubert oder verkleidet.“ Eine Modemacherin kann lediglich ein bisschen helfen, dass eine Frau „ein Bewusstsein entwickelt, was zu ihr passt und was in ihr steckt“.

Es gibt Menschen, denen die Beharrungskräfte der Angela Merkel regelmäßig den Schweiß auf die Stirn treiben. Bei Starfriseur Udo Walz zum Beispiel wünscht man sich etwas häufigere Besuche der Kanzlerin. Und mehr Geduld, weiß ein Kunde zu berichten. Wenn Merkel kommt, will sie höchstens eine Stunde vor dem Spiegel verbringen. Waschen, schneiden, tönen, föhnen, das muss im Schweinsgalopp gehen, und alle können zuschauen. Die Bundeskanzlerin nämlich setzt sich ganz unaufgeregt mitten unters Volk – vielleicht weil ihr dieses Schönheitsgedöns sowieso wurscht ist. Wenn nicht sogar herzlich zuwider.

Bettina Schoenbach, die Modedesignerin, gibt solche Geschichten natürlich nicht zum Besten. Sie spricht jetzt ganz allgemein über deutsche Karrierefrauen, denen sie mehr Mut wünscht und Geschick beim Anziehen. Wenig Haut zeigen und dafür öfter mal hohe Absätze, das ist so eines ihrer Rezepte. Dazu muss man vielleicht wissen, dass die Designerin ihr halbes Leben in New York verbringt und da flottere Menschen und einen anderen Geist kennengelernt hat. „Unvoreigenommener, fröhlicher, vielleicht ist es dadurch nicht so schwer.“

Und Angela Merkel? Hat die es geschafft, Spaß an ihrer Verpackung zu finden? „Glaub schon“, sagt Bettina Schoenbach und lacht. Schließlich ist dieser Prozess des Sich-selbst-Entdeckens nie wirklich abgeschlossen. „Jeder von uns lernt jeden Tag noch etwas Neues dazu.“ Und ganz ohne Eigensinn wäre ihre berühmteste Kundin wohl nicht da angekommen, wo sie heute ist.

Constanze von Bullion

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