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Panorama: Dancin’ in the rain

1,6 Millionen Raver lockte die Love Parade nach Dortmund. Mehr als jemals in Berlin. Sie ist im Ruhrgebiet gut aufgehoben

Manchmal läuft man an einem Wochenende im Juli durch das Gras des Tiergartens und freut sich, dass die Schuhe anschließend nur vom Regen nass sind und nicht vom Urin leicht bekleideter, entfesselter Love-Parade-Teilnehmer. Jetzt hat Berlin keine Loveparade mehr. Die weltweit größte Tanzveranstaltung ist seit zwei Jahren ein Event des Ruhrgebiets. 1,6 Millionen Raver waren an diesem Wochenende in Dortmund. Das ist Rekord. Das hat Berlin nie geschafft. Es gab eine eigene Hymne von DJ Westbam, es wurde unter dem Motto „Highway to Love“ ein Teil der Bundesstraße 1 gesperrt und es rollten 37 Wagen, die in Dortmund Floats genannt werden.

Für Anja Schneider aber hat die Loveparade nur eine Heimat und die heißt Berlin. Hier kommt die Loveparade her und hier gehört sie auch irgendwie hin, sagt sie. Anja Schneider ist DJane, Producerin, Moderatorin bei Radio-Fritz und Inhaberin des Musik-Labels Mobilee-Records, das heute eines der wichtigsten Berliner Techno-Adressen ist. Am Wochenende war sie in Dortmund dabei. Sie stand auf der in acht Metern Höhe aufgebauten Bühne und hat aufgelegt.

Eine Loveparade in Dortmund ist anders als eine Loveparade in Berlin, sagt sie. Berlin sei nun mal die Geburtsstätte der Loveparade. Hier hatte alles angefangen, 1989, mit den 150 Teilnehmern der ersten Parade. Vielleicht liegt es daran, dass Anja Schneider über Dortmund sagt: „Die Energie hat ein bisschen gefehlt. Auch wenn die Leute vielleicht zum Teil die gleichen waren wie die, die auch in Berlin zur Loveparade kommen, reicht die Atmosphäre in Dortmund nicht an die in Berlin heran.“ Klar könne dies auch am Wetter gelegen haben. Schließlich fand ein großer Teil der Parade am Samstag im Regen statt. „Da hat Dortmund echt Pech gehabt. Es war saukalt und alle waren nass.“ Vielleicht aber wären Regen und Kälte in Berlin „ein bisschen egaler“ gewesen. Denn die Loveparade und der Standort Berlin haben nun mal lange zusammengehört: „Es ist komisch, so ohne Gold-Else, so ohne die Straße des 17. Juni. Das ist ja ein wichtiger Teil der Loveparade.“

Anja Schneider hat sich noch nicht damit abgefunden, dass die Loveparade nun keine Berliner Veranstaltung mehr ist. Ganz egal, wie viel Mühe sich das Ruhrgebiet gibt: „Ich bin trotzdem Befürworter, dass die Parade eigentlich nach Berlin gehört.“ Klar wolle man dem Ruhrgebiet eine Chance geben. Besser als gar keine Loveparade. „Vielleicht wird’s ja noch“, hoffen viele.

Rainer Schaller ist Modellathlet, trägt Glatze und gerne ausgefranste Jeans zu trendigen Turnschuhen. Er liebt italienisches Essen, gekühltes Bier – und elektronische Musik. Im wirklichen Leben leitet Schaller die Fitnessstudio-Kette McFit. Seit zwei Jahren gönnt sich Schaller ein spektakuläres Hobby. Er hat die in Berlin verstorbene Loveparade gekauft und sie ins Ruhrgebiet verpflanzt. Weil sie dort zu neuer Pracht erblühte, überlegen die Marketing-Experten der in Sachen Image eher rückständigen Region nun, ob sie Herrn Schaller ein Denkmal bauen.

Erstmals wurde die B1 in Dortmund für eine Veranstaltung gesperrt. Gesperrt wurde auch die Fußgängerbrücke: für Herrn Schaller, der dort oben, ein paar Meter über dem wogenden Ravermeer im Zehn-Minuten-Takt Journalisten zu Interviews empfing. Denen diktiert er dann Sätze in den Block wie: „Mit der Loveparade ins Ruhrgebiet zu gehen, war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Ein Volltreffer. Wir haben hier eine neue Heimat gefunden.“ Für fünf Jahre hat sich Schallers Loveparade-Gesellschaft, die Lopavent, an die Wirtschaftsförderung metropole ruhr gebunden. In den kommenden drei Jahren soll die Loveparade in Bochum, Duisburg und Gelsenkirchen stattfinden. Wohlgemerkt: soll. Denn angesichts der Besucherzahlen in Dortmund, das mit 600 000 Einwohnern fast doppelt so groß wie Bochum ist, fragt man sich inzwischen, wie der kleine Nachbar die Veranstaltung stemmen will.

Egal. So oder so ist die Loveparade für das Ruhrgebiet eine Imagespritze, „die wir mit Geld gar nicht bezahlen könnten“. Das sagt Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer. Er war eine der treibenden Kräfte, als es im Frühjahr 2007 darum ging, Schaller vom Ruhrgebiet zu überzeugen. Am Samstag stand der SPD-Mann Langemeyer, ein eher trockener Typ, im roten „Crew“-T-Shirt mit auf dem Float und ließ sich von der Stimmung anstecken. „Unsere Region mit ihren über fünf Millionen Einwohnern hat einfach das Potenzial für solche Events. Wir haben bewiesen, dass wir uns auch hinter Berlin nicht verstecken müssen, wenn wir denn alle an einem Strang ziehen. „Professionell, souverän und sogar mit einer Prise Lockerheit“ habe die Stadt „diese riesige Herausforderung gestemmt“.

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