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Panorama: Das Ende des Käfers

Noch wird das Datum geheim gehalten, aber es steht fest: Im Sommer rollt in Mexiko das letzte Exemplar des Volkswagens vom Band

Von Martin Jordan,

Mexiko-Stadt

Das Nachhaltigste, was in Erinnerung bleibt, war die Heizung. Entweder an oder aus. Und irgendwann war sie dann für immer an oder aus. War sie an, dann bestand die Kunst darin, mit großer Sensibilität die Luftzufuhr zu regulieren. Das kleine dreieckige Fenster vorne an der Seite war eine der genialsten Konstruktionen der Automobilgeschichte. Es senkte die Temperatur und wenn man es nur einen kleinen Schlitz aufmachte, dann zog der Zigarettenrauch – damals wurde noch geraucht – gezielt aus dem kleinen Fenster nach draußen. Es half außerdem, das Beschlagen des Fensters zu verzögern. Volkswagenfahrer kamen einem grundsätzlich immer winkend entgegen – weil sie das beschlagene Fenster wischten.

Es hat viele Nachrufe auf den Käfer gegeben, auch das hat jetzt bald ein Ende. Das genaue Datum wird zwar noch geheim gehalten. Doch es steht jetzt fest: Im weltweit einzig verbliebenen Produktionsstandort im Volkswagen-Werk in Puebla rollt im Sommer der letzte Käfer vom Band. Der letzte von 21,5 Millionen Stück. Der Käfer ist das erfolgreichste Auto aller Zeiten.

„Wir machen weiter“, sagt Marcos Bureau trotzig. Der Chefredaktor von „Vochomania“ ist sich sicher, dass seine Zeitschrift auch dann noch auf Interesse stößt, wenn ihm der Gegenstand der Anbetung abhanden kommt. Dem „Vocho“, wie der VW-Käfer im mexikanischen Volksmund heisst, blüht das definitive Aus. Marcos Bureau macht sich deswegen keine Sorgen. Dass „Vochomania“ weiterhin seine Leserschaft finden wird, steht für ihn ausser Frage. Die Zeitschrift, die sich ausschliesslich dem VW-Käfer widmet, erscheint seit 1997 alle 14 Tage, die Auflage liegt stabil bei 45000 Exemplaren. Die „Vocho“-Fangemeinde in Mexiko ist groß: Die 80 offiziellen Käfer-Clubs weisen über 2000 Mitglieder auf, jedes Wochenende findet irgendwo im Land ein Wettbewerb statt, an dem die schönsten und originellsten Modelle prämiert werden.

Deshalb ist für Bureau kein Ende des Käfer-Fiebers in Sicht: „Für viele Mexikaner war der „Vocho“ das erste Auto überhaupt; er ist Teil der Familie“. Von den über 105000 Taxis, die in der mexikanischen Hauptstadt verkehren, waren noch vor einigen Jahren 90 Prozent Käfer. Heute sind es bedeutend weniger, denn das zweitürige Kultauto wird nach und nach aus dem Verkehr gezogen.

Ein Gesetz schreibt vor, dass ab 2005 alle Taxis vier Türen haben müssen – aus Gründen des Komforts und der Sicherheit. Weil bei den grünen Käfer-Taxis der Beifahrersitz fehlt, um das Einsteigen zu erleichtern, haben sich Passagiere bei Unfällen oft schwere Verletzungen zugezogen. „Es schmerzt schon, dass der „Vocho“ bald verschwindet“, sagt Leobardo Urbina, Präsident einer Taxigenossenschaft. Doch nun muss auch Urbina von seinem Käfer Abschied nehmen.

Aus dem Strassenbild verschwindet der Käfer noch lange nicht. Mehr als 1,5 Millionen mal wurde er in Mexiko verkauft. Sein Erfolg gründete sich auf seinen konkurrenzlos günstigen Preis – der Käfer ist nach wie vor mit einem Preis von umgerechnet 6200 Euro das billigste Auto in Mexiko.

Zu billig, um es weiter zu produzieren. Noch wird darüber gerätselt, wann genau die Produktion eingestellt wird. Werkssprecherin Christine Kuhlmeyer: „Lassen Sie sich überraschen.“

Martin Jordan[Mexiko-Stadt]

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