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Redet die Körnchen mit „Sie“ an. Goldgräber Markus Schade in Thüringen.

© privat

Das Fieber steigt: Der große Goldrausch

Überall wird nach Gold gegraben und geschürft – in Kanada, Kalifornien, Kongo, aber auch in Sachsen und Thüringen. Und die Deutschen kaufen.

Kurz vor 15 Uhr. In Charlottenburg klopfen zwei Männer vom Sicherheitsdienst an die Glastür. Der Ladenbesitzer schließt auf. Es ist die Lieferung, die Peter Rossmann schon erwartet hatte. Die Sicherheitsleute übergeben einen unauffälligen, nicht sonderlich großen weißen Umschlag. Sie lassen sich die Lieferung quittieren und dann sind sie schon wieder weg. Rossmann packt die Ware aus. „50 000 Euro liegen hier jetzt auf dem Tisch“, sagt er und lächelt. Seinen Stolz kann er nicht ganz verbergen. In kürzester Zeit ist das neue Gold sortiert und im Tresor verstaut. Dann schließt er die Tür für die Kundschaft auf.

Drei Stunden am Tag können im Laden „Antikes und Modernes Silber“ in der Joachimstaler Straße Edelmetalle ge- und verkauft werden. Der Laden ist schlicht und klein. Im Schaufenster sind nicht allzu teure Münzen ausgestellt. Auch drinnen kein allzu großer Luxus. Kaum sind die Sicherheitsleute weg, kommen auch schon die ersten Kunden. Eine Frau setzt sich in den Wartebereich. Gold besitzt sie aus Überzeugung. „Ist doch abzusehen, dass das alles kaputt geht“, sagt sie und meint den Euro. Gold hingegen sei eine sichere Währung. „Die Leute sind doch zu 90 Prozent alle dumm.“ Sie aber hat das System verstanden, sagt sie – deswegen auch die Treue zum Gold. Ganz ohne Bargeld geht es dann aber doch nicht. Im Moment sei sie nicht ganz liquide. Daher verkauft sie eine Münze für etwas mehr als 1000 Euro. Dem Gold will sie trotzdem nicht abschwören. Sie habe noch komplette Sätze zu Hause, Betonung auf zu Hause. Zur Bank würde sie das Gold nie bringen.

Später erklärt Peter Rossmann, dass Goldkäufer konservative Leute sind. Seine Kunden sind jung und alt, Studenten bis Senioren. „Es sind Leute, die über den Tellerrand hinausblicken“, meint er. Seit 2008, nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers würde mehr und mehr Gold gekauft. Er hat einen festen Kundenstamm. Und jeden Tag kommen neue dazu.

Das Fieber steigt. Nirgendwo auf der Welt haben die Bürger so viel Gold gekauft und gehortet wie in Deutschland. Aber überall auf der Welt wird gegraben, geschürft und gewaschen. Ob in Kalifornien, Kanada oder im Kongo Auch in Deutschland. Am Oberrhein, in Bayern, Thüringen, Sachsen.

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„Alles, was größer ist als ein Millimeter, ist mit Sie anzureden“, witzelt Markus Schade. Er zeigt auf das Goldkörnchen auf seiner Fingerspitze. Mit bloßem Auge ist es kaum zu erkennen. Das Gewicht beträgt vielleicht ein tausendstel Gramm. Dann öffnet er ein mit Wasser gefülltes Glasröhrchen und spült das Edelmetall hinein. Wie Goldfischchen schwimmt seine Ausbeute darin. Der promovierte Geologe Schade gehört zur Schar derer, die sich in Bächen, Flüssen und Kiesgruben auf die Suche nach Gold machen. Dieses Jahr könnte es ein goldener Herbst werden: Der Preis stürmt von einem Rekord zum nächsten. An diesem Nachmittag steht er in Gummistiefeln in der Schwarza im Thüringer Schiefergebirge, die als goldreichster Fluss Deutschlands gilt. Zwar sei die Goldmenge im Oberrhein größer, sagt er. Aber der sei im Gegensatz zur Schwarza auch weitaus länger.

Die Ausrüstung beim Goldwaschen ist bescheiden. „Nur Eimer, Sieb und Pfanne, mehr darf man hier nicht verwenden“, sagt Waldemar Böttner vom Fremdenverkehrsverein Schwarzburg. Um den Fischreichtum zu schützen, haben die Behörden das Goldwaschen in der Schwarza, die durch eines der schönsten Täler Thüringens fließt, weitgehend untersagt. Nur in Ausnahmen wird es erlaubt. So veranstaltet der Fremdenverkehrsverein Schwarzburg gemeinsam mit dem Goldexperten Schade zehn Mal im Jahr einen kostenlosen Schnupperkurs. Anfänger benötigen beim Goldwaschen in erster Linie Geduld. Während ein Profi einen Eimer Flusskies in einer Minute durchwäscht, sollten sich Amateure eine Viertelstunde Zeit nehmen, rät Schade.

Nicht weit hinter der brandenburgisch-sächsischen Landesgrenze und fast in Sichtweite der Autobahn nach Dresden liegt ein Tagebau. Hier könnte demnächst gezielt nach Gold geschürft werden. Die „Freie Presse“ veröffentlichte kürzlich eine nicht alltägliche Landkarte. Sie gab Auskunft über die vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie auf den möglichen Goldgehalt untersuchten Kiessand-Tagebaue. Dabei erhielt die rund 140 Kilometer südlich von Berlin gelegene Grube an der Autobahn einen mittelgroßen roten Punkt. Hier könnte also genau wie nördlich, östlich und südlich von Leipzig sowie kurz vor Görlitz Gold liegen. Der Freistaat Sachsen lässt nun als erstes Bundesland mögliche Goldvorkommen in insgesamt 25 privat betriebenen Kiesgruben prüfen.

Im Kongo geht es auch ohne Genehmigung vom Staat. Emanuela Dzeta hat ihr Baby auf den Rücken gebunden. Sie arbeitet in einem illegalen Goldbergwerk in der ostkongolesischen Provinz Ituri. Ihre Aufgabe ist es, das Gestein, das eine Gruppe von etwa 20 Männern mit Hämmern und Schaufeln aus einem riesigen Loch im Sandboden holen, zu waschen und zu sieben. Das Gold, das die Arbeiterinnen und Arbeiter hier finden, müssen sie dem Besitzer abliefern. Für ein halbes Gramm Gold bekommen sie am Ende 25 Dollar. Unterhändler verkaufen das Edelmetall über Uganda auf dem Weltmarkt. Da viele Minen von Milizführern kontrolliert werden, fließt das Geld in den Bürgerkrieg.

Die Käufer in Deutschland wissen nicht, woher ihr Gold kommt.

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