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Panorama: Das gibt Trouble

Die Sängerin Pink knöpft sich in ihrem neuen Album untreue Boyfriends und schlechte Väter vor

Dieses Mädchen namens Pink scheint vor Lust auf Radau schier zu platzen. Sie tobt und keift, fletscht die Zähne, und man muss schon zu den härtesten Mitteln greifen, um sie zu bändigen. Mit einem Seil wird sie gefesselt und dann festgebunden an einem rostigen Metallpfahl. Schließlich wird sie samt Pfahl ausgesetzt, irgendwo in der gottverlassenen Wüste des Wilden Westens, wo sie keiner hören kann. Dort steht sie dann im Dunkeln und zerrt an ihren Schnüren. Ist dabei aber keineswegs eingeschüchtert.

Sie flucht immer noch – so fordernd, als müsste man schon die ganze Welt vor ihr beschützen. Zumindest die Männerwelt: Schlechte Väter oder die untreuen Boyfriends, die sie sich in ihren Songs immer wieder vorknöpft.

Solch eine Marterpfahl-Szene ist dargestellt auf dem Cover von Pinks aktueller Hit-Single „Trouble“, die derzeit auf allen Musikkanälen rotiert und Vorbote ist zu ihrem neuen Album „Try this“. In dem dazugehörigen Video mischt sie als eine Art weiblicher Clint Eastwood ein ganzes Westerndorf auf und befreit die Wüstenbewohner von üblen Ganoven, die sie in einer Spelunke zu Brei schlägt – mit selbstverständlicher Leichtigkeit. Schließlich heißt es im Song ja auch nicht „I’m in trouble“, sondern knallhart: „I am trouble“. „Damals im Wilden Westen hätte ich mich wie zu Hause gefühlt“, sagt Pink dazu. „Es wäre alles so einfach: Denn wenn ich jemanden nicht ausstehen kann, hätte ich ihn einfach abknallen dürfen oder hätte sein Pferd geklaut.“

Bei solchen Worten kann die 24-Jährige dann auch ziemlich killermäßig dreinschauen. Pink hat viele Facetten, vermarktet aber wird sie vor allem als eine Rebellin. Wenn man sie sieht, könnte man sie vielleicht auch für ein leicht durchgedrehtes Girlie halten: Propper und klein ist ihr Körper, und ihre Punk-Outfits sind meist so dermaßen durchlöchert, befischnetzt und benietet, als hätte sie die Kleider direkt von Madonna aus den frühen Achtzigern erhalten. Eines ist Pink aber schon lange nicht mehr: Rosa-häuptig. Der pinken Farbe ihres Kopfhaars, auf die sich ihr Künstlername begründet, sind mittlerweile tausend andere Haarfarben gefolgt. „Es geht bei der Farbe Pink ja auch noch um andere Assoziationen als der Haarfarbe“, sagt sie dann vieldeutig und verweist auf jene erotische Phrase, die sie als ihr Lebensmotto bezeichnet: „We ’re all pink on the inside“.

Auch dank solch augenzwinkernder Frivolitäten gelang ihr in den USA gleich mit ihrem ersten, vor drei Jahren erschienenen Debüt „Can’t take me home“ der Durchbruch – hauptsächlich mit Rhythm-and-Blues-angehauchten Balladen („Let me let you know“), deren artifizieller Schönklang eigentlich nicht recht zu Pinks schlichter Direktheit und ihrer Kämpfernatur passte. Schon mit 13 begann sie eine Straßenkarriere, startete eine Rapcrew und blieb der Schule fern. Später probierte sie sich als Backgroundsängerin in Rockbands und feierte erste Auftritte mit Girlgroups, die alsbald wieder in der Versenkung verschwanden. Einen Beruf zu erlernen, sagt sie, sei für sie nie in Frage gekommen – hätte das mit der Musikerkarriere nicht geklappt, würde sie noch immer in Fastfood-Restaurants arbeiten.

Bei uns sorgt Pink erst seit dem letzten Jahr für Trubel unter den Teenagern: Da veröffentlichte sie ihr zweites, preisgekröntes Album „Missundazstood“, das eine manchmal etwas anstrengende Mischung enthielt aus Girl-Power-Krachern wie „Get the Party started“ und sanften Songs über ihre Lebensgeschichte, in denen sie andeutungsweise ein Kindheitstrauma offenbart, das aus der Trennung der eigenen Eltern herrührt („My Vietnam“). Noch heute, sagt sie, leidet sie unter der Angst vor dem Alleinsein. Dann erzählt sie ihre Geschichte vom kleinen Mädchen, das bei häuslicher Abwesenheit der Eltern so lange mit einem Messer bewaffnet unter dem Küchentisch wartete, bis Mutter und Vater wieder zurückkamen. Ob’s wahr ist oder nicht – dem Image schadet es zumindest nicht. Im Gegenteil: Das Gefühlswirrwarr von „Missundazstood“ hat sich bis heute 12 Millionen Mal verkauft.

Pinks neues Album „Try this“ klingt da schon wesentlich entspannter, weniger therapeutisch – fast schon optimistisch und noch eine Spur rockiger als der Vorgänger. Zumindest möchte Pink nun am liebsten die große Madonna, die damals Girl Power in den Charts quasi salonfähig gemacht hatte, überrunden. Über ihr Vorbild gab sie einst den unpopulären Satz von sich: „Ich werde dafür sorgen, dass Madonna in Vergessenheit gerät.“ Ob das klappt, ist natürlich mehr als fraglich.

Bunt und abwechslungsreich bleibt „Try this“ dennoch. Neben der „Trouble“-Single und dem zackigen Disco-Knaller „Feel Good Time“ aus dem „Drei Engel für Charlie“-Film befindet sich mit „Oh my God“ auf dem Album auch das heiß erwartete Duett mit der kanadischen Electropop-Sängerin und Wahlberlinerin Peaches. Die genießt bei hiesigen Clubgängern schon seit einigen Jahren Ikonenstatus, steht nun wohl auch vor dem internationalen Durchbruch und wird für ihre drastisch sexuelle Sprache von den einen als emanzipativ bewundert, von den anderen dafür als grauslich befunden und abgelehnt. Pink, die ihre Sangeskollegin für ihre Art zu polarisieren bewundert, spricht über die gemeinsame Nummer als ihren bisher „sexiest Song“. Das verspricht wohl eine Überraschung zu werden.

Wie viel von der Härte, wie viel von der zelebrierten Verletzlichkeit steckt denn nun wirklich in der Pink, so, wie sie sich darstellt? Wird sie denn irgendwann zur Langweilerin – sobald erst einmal die Probleme mit sich und den Männern aus der Welt geschafft sind? „Arschloch, Hure, Freak, Psycho“ – so lautete einmal ihre Antwort auf die Aufforderung eines Journalisten, sich selbst mit nur wenigen Worten zu charakterisieren. Dann zögerte sie und entschied sich, wieder alles bis auf den „Psycho“ zu streichen. Das allein blieb stehen: „Aber daran arbeite ich auch noch.“ Sie bleibt uns also noch eine Weile erhalten.

Sassan Niasseri

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