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Panorama: Das Grauen kam in der Nacht

Blankes Entsetzen auf den Philippinen / Verwüstung wie bei einem Tsunami / 1000 Tote befürchtet.

Manila - Wer Glück hatte, wurde von dem Rauschen geweckt, mit dem die Wassermassen hereinbrachen. Aus dem Bett und rauf aufs Dach – nur, wer diesem Impuls folgte, hatte eine Chance bei den beispiellosen Sturzfluten, die in der Nacht zum Sonnabend durch die Küstenstädte Cagayan de Oro and Iligan auf den Philippinen donnerten. Der Tropensturm „Washi“ könnte nach Angaben des Roten Kreuzes 1000 Todesopfer gefordert haben. Eine genaue Zahl wird wahrscheinlich erst in den nächsten Tagen festgestellt werden.

Die philippinische Insel Mindanao steht unter Schock. Wenn es deutlichere Wetterwarnungen gegeben hätte, hätten sich viele Menschen retten können, klagen Überlebende.

Mit ihren toten Kindern ist Gemylyn Lopez in ein Auffanglager in einer Kirche in Iligan gekommen. Ihr Mann habe die Sechsjährige und ihren vierjährigen Bruder nicht halten können, als das Wasser ihn bei der Flucht aus dem Haus plötzlich von den Beinen riss, erzählt die 26-Jährige der Deutschen Presse-Agentur mit erstickter Stimme am Telefon. Wensito Pulusan schaffte es mit seiner Frau und Tochter auf ein Dach. Die grausame Wucht des Wassers machte zwar auch dort nicht halt und riss den ganzen Dachstuhl ab, doch die Familie fand sich ein paar Kilometer weiter am Strand wieder – heil. „Der Herrgott hat uns überleben lassen“, sagt Pulusan.

Mehr als 30 000 Menschen sind in Stadien und Schulen geflüchtet, die nun als Notaufnahmelager dienen. Kinder starren stumm ins Nichts, die Augen sind in blankem Entsetzen aufgerissen. Wer kann, geht zurück und schaut nach seinem Hab und Gut. Für viele ist das ein Horrortrip. „Hier steht nichts mehr. Die Fluten haben alles fortgerissen“, sagt Pulusan. Die Verwüstung in den beiden dicht besiedelten Städten mit 900 000 Einwohnern ist immens. Wie ein Tsunami müssen die Wellen in der „Stadt der goldenen Freundschaft“ (Cagayan de Oro) und der „Stadt der majestätischen Wasserfälle“ (Iligan) gewütet haben.

Auch Dörfer in der Umgebung sind betroffen. In vielen Regionen steht kaum noch ein Stein auf dem anderen. Große Muldenkipper sind wie Spielzeugautos durcheinandergewürfelt. Auf einer Luftaufnahme ragt die Kuppel einer Moschee aus verwüstetem Gelände. Das Wasser hat in den Säulengängen dicken Schlamm hinterlassen, hat mehr als 100 Meter breite Schneisen durch das Stadtgebiet geschlagen und alles umgerissen, was im Wege stand. Überall liegen Haufen von Geröll. Dächer, Wände, entwurzelte Palmen, Lastwagen, Schränke – und an einer Stelle dazwischen zwei vom Wasser ganz wellig gewordene Fotos einer jungen Frau. Weit und breit ist kein lebender Mensch zu sehen. Der Schock bei den Betroffenen sitzt tief. Mindanao, 800 Kilometer südlich der Hauptstadt Manila, ist die zweitgrößte der gut 7000 Inseln und wegen des muslimischen Separatistenkampfs und der dort wütenden Terrorgruppen und Kommunistenrebellen in den Schlagzeilen. Solche Naturkatastrophen indes sind unbekannt. Tropenstürme treffen die Philippinen jedes Jahr, aber viel weiter nördlich.

Die Behörden hätten nicht richtig gewarnt, sagt Bürgermeister Emano. „Wir wussten von dem Sturm, aber nicht, dass solche Überschwemmungen zu befürchten waren“, sagte er. Warnungen gab es, sagt Zivilschutzdirektor Ramos. „Wir haben es aber versäumt, klarzumachen, dass die Menschen sich bei solcher Gefahr in Sicherheit bringen müssen.“ dpa

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