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Panorama: Das Leben nach dem Zuckerguss

Als „Amélie“ wurde sie berühmt, jetzt spielt Audrey Tautou in „The Da Vinci Code“

Sie spielt die kleinen, süßen Französinnen: Amélie, Marie, Angelique, Mathilde. Und jetzt als nächstes, in Ron Howards „The Da Vinci Code“: Sophie. Schon der Nachname: Tautou. Und dann die großen dunklen Rehaugen, das artig geschnittene Haar, die Kleider mit den Blümchen drauf. Wenn sie, gerade mal 160 Zentimeter klein, beim Interview persönlich vor einem sitzt, wirkt diese junge Frau noch zerbrechlicher und kindlicher als auf der Leinwand.

Es ist bestimmt nicht leicht, ein Leben nach „Amélie“ zu führen. Und schon nach wenigen Sätzen im Gespräch mit der inzwischen 27-jährigen Schauspielerin wird klar, dass die Dinge bei Audrey Tautou etwas anders liegen, als man dem ersten Eindruck nach denken mag. Sie erzählt, wie schwierig ihr Alltag nach Jean-Pierre Jeunets Sensationserfolg von 2001 wurde. Allein über sieben Millionen Franzosen sahen sie damals im Kino. „Im Prinzip ist das ja das, was sich jeder Schauspieler wünscht“ – wie schwierig es aber seitdem für sie ist, auf die Straße zu gehen, welche Überwindung es jedes Mal kostet, die Métro zu nehmen: „Zuerst war dieser Erfolg ein Schock. Prominenz ist mir egal.“ So wohnt sie weiterhin in ihrer Wohnung im Pariser Arbeiterviertel Belleville. „Amélie ist eine Kunstfigur, eine Märchengestalt. Das ist sehr schön. Aber privat habe ich mit ihr nicht viel gemeinsam. Ich bin keine Romantikerin, keine Träumerin.“

Dann erzählt Tautou weiter von den politischen Verhältnissen in ihrer Heimat, ihrem Engagement gegen den Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen, von der neuen Feindschaft und dem Rassismus gegenüber Immigranten. Und dann fällt einem ein, dass sie ja in den letzten Jahren nicht nur niedliche Französinnen gespielt hat, sondern auch die junge Türkin Senay, die sich im London von Stephen Frears „Dirty Pretty Things“ mehr schlecht als recht im Milieu der Illegalen durchschlägt. Plötzlich fällt doch der ganze „Amélie“-Zuckerguß von dem freundlichen, jungen Mädchen ab, das bei allem Erfolg seine Nüchternheit nicht verloren hat – das weiß, was es will, und das das Kino nicht mit der Wirklichkeit verwechselt.

Eigentlich, das hat sie nach „Amélie“ ziemlich deutlich gesagt, mag sie auch keine US- Blockbuster: „Action, aber europäisch!“, meinte sie damals. Darum verwundert es ein wenig, dass sie jetzt, nachdem sie entsprechende Angebote über Jahre abgelehnt hat, in genau so einem Blockbuster zu sehen sein wird: Die 100-Millionen-Dollar-Produktion „The Da Vinci Code“ von Oscargewinner Ron Howard, die in zwei Wochen die Filmfestspiele von Cannes eröffnet, ist die Verfilmung des Weltbestsellers „Sakrileg“ von Dan Brown. An der Seite des 22 Jahre älteren Tom Hanks spielt Tautou in diesem religiös-esoterischen Thriller die französische Kryptologin Sophie Neveu, die eigentlich den Mörder ihres Großvaters sucht, und dabei auf den Beweis stößt, dass Jesus Christus mit Maria Magdalena verheiratet gewesen war und eine Tochter hatte.

Zu lange sollte man sich über diesen Meinungswandel aber nicht wundern. Tautou steht eben doch fester auf dem Boden der Tatsachen, als man glauben mag, wenn man sie mit „Amélie“ verwechselt. Nach diesem Erfolg hatte die in der Auvergne aufgewachsene Tochter eines Zahnarztes zunächst versucht, in Europa genug interessante Angebote zu finden, und das Image der naiven Märchenfee abzulegen. In den folgenden fünf Jahren hat Audrey Tautou nur einige mittelgroße Filme gedreht, darunter immerhin mit Alain Resnais und mit Stephen Frears. Dann kam wieder Jean-Pierre Jeunet: Der Regisseur und seine Traumbesetzung waren wiedervereint. Als der bitter-süße, ein bisschen zu kühl-virtuose Film „Mathilde – Eine große Liebe“ dann im Kino war, fiel den Journalisten nichts Besseres dazu ein als: „Amélie im Krieg“.

Mit „The Da Vinci Code“ wird es Tautou jetzt wohl schaffen, ein internationaler Star zu werden. Sie wird dann wieder viele Angebote aus Amerika ablehnen und mit etwas Glück in ein paar europäischen Filmen auftauchen. Oder Hollywood bietet ihr dann doch etwas geeignetere Rollen an – vielleicht ein Remake von „Frühstück bei Tiffany“? Nach Audrey Hepburn wurde Tautou immerhin benannt, und als französische Holly Golightly in New York könnte man sie sich gut vorstellen.

Vor fünf Jahren übrigens lehnte man Tautous „Amélie“-Auftritt beim Filmfestival von Cannes ab. Jetzt kehrt sie genau dorthin zurück, als Französin in einem US-Blockbuster, der so blockbustig ist, wie er nur sein kann. Sozusagen als Jeanne D’Arc des amerikanischen Kulturimperialismus. Auch ein Triumph.

Rüdiger Suchsland

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