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Panorama: Das letzte Menu

Der Spitzenkoch Josef Viehauser hat sein Hamburger Restaurant „Le Canard“ geschlossen. Befindet sich die Haute Cuisine in der Krise?

Am vergangenen Sonnabend flatterte die Fahne des Hamburger Luxusrestaurants „Le Canard“ hoch über der Elbe noch hübsch illuminiert im Aprilwind, so, als habe sich nichts geändert in der hanseatischen Spitzengastronomie. Doch Eingeweihte wussten längst, dass Josef Viehhauser, der Patron, finanziell am Ende war und gewaltige Mietschulden aufgehäuft hatte beim Hausbesitzer, dem Stararchitekten Meinhard von Gerkan. Gestern kam nun das offizielle Ende für das Restaurant, das in allen Architektur- und Gastronomiezeitschriften der Welt abgebildet worden war, lange Jahre als inoffizielle Nummer eins in Hamburg galt und zeitweise sogar zu den deutschen Top Ten gehörte. Der Chef sei verreist, teilte ein Vertrauter mit, doch er sei zur Frühpensionierung noch zu jung und werde bald an den Herd zurückkehren. Die Räume an der Elbchaussee sollen so schnell wie möglich weitervermietet werden.

Kein Essen für Siebeck

Viehhauser, der heute 54-jährige österreichische Küchen-Minimalist, galt lange als Branchenstar und Erfolgsgastronom. In seinen wilden Anfangsjahren Ende der 70er in Hamburg-Eppendorf erregte er Aufsehen, als er den Autor Wolfram Siebeck nach einer negativen Kritik nicht mehr bewirten mochte. Später gab er sich bürgerlicher und eröffnete neben dem „Canard“ zahlreiche weitere Betriebe, Bistros, Gasthäuser, einen Partyservice, dann einen Weinhandel zusammen mit seinem Bruder. Auch in Berlin trat er in Erscheinung, zunächst als Berater des „Vau“, dann als Betreiber des Restaurants im Haus der Bundespressekonferenz. Der Anfang vom Ende: Als er dort aufgeben musste, sprach er davon, dass ihn das Berliner Abenteuer 750000 Mark gekostet habe. Nach und nach brachen dann auch die Hamburger Firmen zusammen.

Es scheint deshalb, dass der Fall Viehhausers zwar ein Symptom der finanziellen Krise der Spitzengastronomie ist, dennoch aber in erster Linie das Ergebnis kaufmännischer Fehleinschätzungen. Denn das ebenso teure Restaurant „Jacob“ an der Elbchaussee floriert, Karlheinz Hauser, ehemals als Adlon-Küchendirektor in Berlin erfolgreich, bedauert seinen Wechsel auf den Blankeneser Süllberg trotz vieler Mühen ebenfalls nicht. Und Christian Rach, der mit der flotten Kreuz-und-quer-Kulinarik in seinem „Darling Harbour“ an der Elbe nicht in die schwarzen Zahlen kam, hat gerade sein erfolgreiches „Tafelhaus“ dorthin verlegt. Der Schluss liegt nahe: Nur Betriebe, die ohnehin schon gefährlich verschuldet sind, fallen der Konjunkturkrise jetzt zum Opfer. Gemessen am Umfang der wirtschaftlichen Rezession hätte es in der Branche schon 2003 viel mehr Schließungen geben müssen, als dann tatsächlich eintraten. In der Spitzengastronomie traf es überwiegend Restaurants außerhalb der Ballungsgebiete wie die „Weyberhöfe“ im Spessart, den „Schwanen“ in Haigerloch oder das „Marcobrunn“ in Eltville. Der Fall des Viehhauser-Imperiums erinnert deshalb an einen anderen, viel beachteten Konkurs, der ebenfalls mit einer Fehleinschätzung der Zukunft Berlins begann. Das „Margaux“ Unter den Linden, eine Filiale des Celler Fürstenhofs, brach unter der Last von hoher Pacht und noch höheren Baukosten zusammen und zog das Celler Hotel mit in den Abgrund. Immerhin: Nach dem Konkurs konnten Fürstenhof und Margaux, befreit von vielen finanziellen Altlasten, getrennt weiterarbeiten. Die Kopplung von Luxushotel und Edelrestaurant gilt ansonsten eher als sinnvoll, denn gerade in Berlin nutzen viele Hoteliers die Gastronomie als Marketinginstrument – und lassen sich diese Art der Reklame fünf- bis sechsstellige Summen kosten.

Dabei hat die viel beschworene Krise der Sterne-Gastronomie für den Gast durchaus positive Seiten. Denn seit die Kundschaft selbst weltberühmte Häuser nicht mehr von allein füllt, werden vor allem die weit überzogenen Kalkulationen kritisch durchleuchtet. Gäste bestrafen es durch Wegbleiben, wenn man ihnen Weine für 75 Euro andrehen will, die im Einkauf gerade einmal 10 gekostet haben, der Liter Wasser für 12 Euro gilt zunehmend als Ärgernis, und auch der imponiersüchtige Wettlauf um das teuerste deutsche Menü hat anscheinend aufgehört. Michael Hoffmann, der im „Margaux“ vom Küchenchef zum Eigentümer wurde, verlangt für das große Menü 95 Euro, vor einem Jahr waren es noch 140. Und sein Restaurantmanager Ingo Sperling wirkt geradezu befreit, wenn er Weine für 25 Euro pro Flasche anbieten kann – für den Preis gab es dort früher gerade ein Glas Champagner. Dies alles bedeutet natürlich nicht zwingend, dass vorher so viel Luft in den Preisen war. Viele Wirte setzen vermehrt Lehrlinge ein oder streichen die Brigaden einfach so zusammen, Sommeliers kaufen Weine nicht mehr auf Verdacht, sondern nehmen sie in Kommission mit der angenehmen Folge, dass die Rechnung erst fällig wird, wenn die Flasche getrunken ist.

Diskrete Hausbesuche

Eine zunehmend wichtigere Rolle spielt für die Restaurants das Außer-Haus-Geschäft. Denn viele reiche Gäste, die es ja nach wie vor gibt, lassen sich nicht mehr gern beim öffentlichen Prassen sehen, zumal, wenn sie sich in den Medien für Massenentlassungen oder Werksschließungen zu rechtfertigen haben. Also lassen sie den Koch ihres Herzens einfach nach Hause kommen, was keineswegs Geld spart, aber auch kein Aufsehen macht. Viele Köche haben daraus die Konsequenzen gezogen, den Abschied vom Restaurantgeschäft genommen und Visitenkarten mit dem Zauberwort „Consultant“ gekauft. Sie reisen jetzt, nur noch mit einem Messerkoffer ausgerüstet, durch die Republik und besuchen ihre ehemaligen Stammgäste zu Hause oder in deren Firmencasino. Die geringen Fixkosten machen das zum einträglichen Geschäft. Und wenn gelegentlich auch noch das Fernsehen anklopft - dann lachen diese Solisten nur noch über die Kollegen mit dem 16-Stunden-Tag.

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