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das-tut-man-nicht.de: Operation verweigert - den alten Vater sterben lassen?

Müssen es die erwachsenen Kinder respektieren, wenn der eigene Vater keinen Lebenswillen mehr hat und eine notwendige Operation verweigert? Damit setzt sich Professor Werner Vogel, Facharzt für Geriatrie, auseinander.

FRAGE:
Unsere Mutter ist vor einem Jahr gestorben, unser Vater (84) ist jetzt sehr allein und verlassen, obwohl wir in seiner Nähe wohnen und uns sehr um ihn kümmern. Bis auf die üblichen Altersbeschwerden und einem schwachen Herzen fehlt ihm eigentlich nichts, doch jetzt wird ein Krankenhausaufenthalt wegen seiner Herzschwäche notwendig. Er will nicht ins Krankenhaus, obwohl ihm sein Hausarzt und die Krankenhausärzte versichert haben, dass der Eingriff unproblematisch wäre, das Leben ohne die Bypass-Operation dagegen beschwerlich und mühsam. Manchmal denken wir, dass unser Vater einfach nicht mehr leben will. Müssen wir das respektieren?

PROFESSOR WERNER VOGEL ANTWORTET:
Man muss den Wunsch des Vaters sehr ernst nehmen und seinen Willen natürlich respektieren. Man würde unethisch und sogar rechtswidrig handeln, wenn man ihn gegen seinen Willen einweisen und operieren (lassen) würde. Das Problem ist allerdings bei der vermutlich bestehenden Einsamkeit und reaktiven Depression angesichts des erlittenen Verlusts und der Krankheit komplexer: Lebenswille und Lebensqualität könnten sich positiver darstellen, wenn die Beschwerden mit vertretbarem Aufwand medizinisch gelindert werden könnten. Dafür spricht die Bemerkung, dass der Hausarzt und die Krankenhausärzte von einem „unproblematischen Eingriff“ ausgehen. Gegen eine solch pauschale Bewertung wäre ich als Kardiologe und Geriater allerdings skeptisch. Denn ganz unproblematisch ist ein Herzeingriff nie. Falls es sich um eine Gefäßerweiterung mittels Ballonkatheter und ggf. Gefäßsstütze (Stent) handelt, ist dies normalerweise zwar nur mit relativ wenigen Unannehmlichkeiten verbunden, aber Komplikationen kann es trotzdem geben. Wenn eine Bypassoperation oder ein anderer operativer Eingriff nötig ist, sind Aufwand und Komplikationsmöglichkeiten nicht unerheblich. Ob das Leben mit oder ohne eine solche Operation beschwerlicher ist, kann schwer vorausgesagt werden. Hier ist ein sorgfältiges, das Für und Wider beider Verfahrensweisen berücksichtigendes Aufklärungsgespräch unverzichtbar. Wenn die Aussicht auf eine erfolgreiche konservative (medikamentöse) Behandlung mit befriedigender Lebensqualität besteht, kann eine invasive bzw. operative Behandlung vermieden, zumindest aufgeschoben werden. Ich halte ein offenes Gespräch mit dem Betroffenen für notwendig, das in verständlicher Sprache alle medizinischen, aber auch psychologischen Aspekte wie Angst, Einsamkeit und Lebenswillen einbezieht. Wenn der Patient sich bei klarem Verstand gegen (aufwändige) medizinische Maßnahmen entscheidet, hat er ein unbedingtes Recht darauf. Palliative Möglichkeiten gibt es auch in diesem Falle. Selbstverständlich kann er eine solche Entscheidung im weiteren Krankheitsverlauf auch revidieren, wobei über ein möglicherweise höheres Risiko durch Zuwarten ebenfalls gesprochen werden sollte. Das tut man nicht.

ZUR PERSON:
Professor Werner Vogel ist Psychotherapeut, Internist und Facharzt für Geriatrie. Er ist ärztlicher Direktor am Zentrum für Geriatrie im hessischen Hofgeismar. Bis zum Herbst 2010 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Außerdem ist er Honorarprofessor an der Universität Kassel und hat im Jahr 1993 den Bundesverband Geriatrie mit begründet, in dessen Vorstand er berufen wurde.

Quelle: www.das-tut-man-nicht.de

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