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Panorama: Das verlorene Lachen

Die Italiener werden immer depressiver und unzufriedener

Italiener gelten als fröhliche, stets gut gelaunte und lustvolle Menschen. Das mache die viele Sonne und das gute Essen und die schönen alten Städte, heißt es immer wieder in Reiseführern. Ein Vorurteil, wie eine Studie nachzuweisen scheint. Eine Studie des Statistikers und Präsidenten der Italienischen Gesellschaft der Mediziner Donato Magi zeichnet ein wesentlich düsteres Bild seiner Landsleute.

Thema der umfangreichen Studie von Magi ist die Entwicklung italienischer Befindlichkeiten in den letzten Jahrzehnten. Magi untersuchte darüber hinaus auch, ob und inwiefern die Italiener in jüngster Zeit gewachsen sind, ob sie als gesünder gelten und auch als glücklicher. Die Resultate seiner Forschungsarbeit überraschten nicht nur ihn selbst. In den letzten 100 Jahren sind die Italiener durchschnittlich um zwölf cm gewachsen. Zurückgeführt wird das auf die eindeutig bessere Ernährung in den letzten Jahrzehnten. Im gleichen Zeitraum hat sich die durchschnittliche Lebensdauer um ganze 100 Prozent erhöht. Um 1900, so Donato Magi, „lebte der Durchschnittsitaliener nur 43 Jahre“. „Diese positiven Resultate, begleitet von einem immer höheren Lebensstandard, sollten eigentlich ein Grund zur Freude, zur Lebensfreude sein“, meint der Statistiker und fügt hinzu, „dass die Italiener immer trauriger und depressiver werden“.

Ganze zwölf Millionen leiden unter Ängsten und Depressionen, ermittelte die Untersuchung. Aus diesem Grund werden jährlich mehrere Milliarden Euro für Wahrsager und andere Zauberer ausgegeben. Kein anderes Volk der EU ist Zaubermännern so verfallen wie die Menschen zwischen Bozen und Palermo. Zirka 100 000 Magier bieten ihre Dienste an. „Eindeutiges Zeichen“, so Donati, „dass viele Menschen unglücklich sind“.

Wer unglücklich ist, der hat auch nicht viel zu lachen. Donatis Umfrageergebnisse kommen auch auf das alltägliche Lachen zu sprechen. 14 Prozent aller Befragten gaben an, nie zu lachen und auch nichts zu lachen zu haben. „Ein viel zu hoher Wert für ein Land“, so die römische Kulturanthropologin Ida Magli, „das immer mit Mandoline spielenden und ständig heiteren jungen Leuten in Verbindung gebracht wird“. Der Umstand, so die Fachfrau, „dass Italien langsam aber sicher ein modernes Land mit allen Problemen der modernen Zeit wird, sorgt dafür, dass vielen Bürgern das Lachen im wahrsten Sinn des Wortes vergeht“.

Der auch in Deutschland bekannte Schriftsteller Luciano De Crescenzo meint sogar, dass „viele Italiener endlich begreifen, dass ihre Heiterkeit ihren Grund in einer unsäglichen Oberflächlichkeit hatte und dass sie diese Oberflächlichkeit immer weniger ausleben können“. De Crescenzo zufolge „dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass wir Italiener es sehr lieben, ständig zu klagen und zu meckern und uns Sorgen um irgendetwas zu machen“.

Thomas Migge[Rom]

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