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Die Katastrophe nach der Katastrophe. Das Wasser in Bangkok fließt langsam ab, zurück bleiben Schlamm und Müll. Für die Bewohner der betroffenen Stadtteile bleibt die Lage schwierig. Ihnen wird nun das ganze Ausmaß der Schäden bewusst. Foto: Narong Sangnak/dpa

© dpa

Panorama: Das Wasser geht, eine neue Krise kommt

Bangkok macht sich an die Aufräumarbeiten der Flut – die politischen Parteien streiten längst über andere Themen

Hunderte von Freiwilligen sind dem Aufruf von Bangkoks Stadtverwaltung gefolgt: Sie sind mit Besen, Eimern und Handschuhen angerückt, um die Lat- Phrao-Kreuzung im Norden von Bangkoks Innenstadt zu säubern. Unterstützt werden sie von Reinigungsfahrzeugen der Stadt. Fast drei Wochen lang stand hier die Straße, die nur etwa sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt, bis zu einen Meter tief unter Wasser. In den vergangenen Tagen ist es beinahe vollständig zurückgegangen. Hinterlassen hat es Unmengen an stinkendem Schlamm, Abfall und Unrat.

Bangkoks Innenstadt scheint den schwersten Überschwemmungen in einem halben Jahrhundert gerade noch einmal entkommen zu sein. Nach mehreren gescheiterten Versuchen der Behörden, die immensen Wassermassen zu stoppen, die sich nördlich der Hauptstadt angesammelt haben, konnten Mitarbeiter der Stadt das eindringende Wasser hier erfolgreich über einen kleinen Kanal ableiten. Zusätzlich haben die Behörden im schwer überschwemmten Viertel Don Muang im Norden der Stadt eine sechs Kilometer lange Barriere aus tonnenschweren, riesigen Sandsäcken errichtet. Auch sie haben das eindringende Hochwasser gebremst.

„Es ist jetzt sicher, dass die Innenstadt von Bangkok vor dem Hochwasser sicher ist“, erklärte Thailands Premierministerin Yingluck Shinawatra am Sonntag in Bali, wo sie am Tag zuvor am Ostasien-Gipfel teilgenommen hatte.

Östlich und westlich der Innenstadt ist die Lage jedoch weiterhin dramatisch. Mehrere Brücken, die von Bangkoks Altstadt auf das Westufer des Flusses Chao Phraya führen, bleiben weiterhin gesperrt. Auf der anderen Seite haben die Wassermassen ganze Stadtteile überflutet. Sie wurden von den Behörden hierher umgeleitet. In mehreren Vierteln dürften die Anwohner noch wochenlang mit dem Hochwasser – in dem inzwischen mehr als 600 Menschen umgekommen sind – zu kämpfen haben.

In Bangkoks Außenbezirken wächst daher die Wut. Mehrfach haben Anwohner überschwemmter Stadtteile Sandsackbarrieren zerstört – in der Hoffnung, dass das Wasser so schneller aus ihren Vierteln abfließt. Die aufgebrachten Bewohner des besonders schwer betroffenen Don-Muang-Viertels haben am Wochenende zumindest eines erreicht: Eine der Flutbarrieren soll nun auf einer Länge von mehreren Metern geöffnet werden.

Während sich das Hochwasser vielerorts zurückzieht, nimmt die politische Auseinandersetzung um das Krisenmanagement erst jetzt richtig Fahrt auf. Über Wochen war der Kampf gegen die Wassermassen in Bangkoks Hauptstadt geprägt von einem Machtkampf zwischen der Regierung von Premierministerin Yingluck und Sukhumbhand Paribatra, dem Gouverneur von Bangkok. Yingluck ist die Schwester des 2006 von der Armee aus dem Amt geputschten Ex-Premiers Thaksin Shinawatra, der vor allem auf dem Land noch immer unzählige Unterstützer hat. Sukhumbhand gehört der konservativen Democrat Party an, die sich auf Bangkoks Mittelschicht und Elite stützt. Einige von Yinglucks Gegnern planen sogar, die Regierung wegen der Überschwemmungen auf Schadenersatz zu verklagen. Abgeordnete der Opposition fordern den Rücktritt der Premierministerin.

Umfragen zeigen, dass die Popularität der Regierung, die nach einem Erdrutschsieg bei Wahlen im Juli ins Amt gekommen war, abgenommen hat. Viele Thais sind unzufrieden, weil die Behörden und Ministerien während der Überschwemmungen immer wieder chaotische und bisweilen widersprüchliche Erklärungen abgaben. Die meisten Befragten glauben jedoch nicht, dass eine andere Regierung bei der Bekämpfung der Naturkatastrophe erfolgreicher gewesen wäre.

Mehr noch als der Streit um die Flutbewältigung könnte ein anderes Thema Thailand erneut spalten: die Frage, wie das Land mit Ex-Premier Thaksin Shinawatra verfahren soll. Thaksin ist 2008 aus Thailand geflohen, um einer Verurteilung wegen angeblicher Korruption zu entgehen. Er lebt heute in Dubai. Vor wenigen Tagen haben mehrere Mitglieder des Kabinetts beschlossen, ein Amnestiegesuch an Thailands König zu richten, das eine Begnadigung von 26 000 verurteilten Straftätern vorsieht, die älter als 60 Jahre sind. Einer dieser Straftäter wäre Thaksin Shinawatra.

Berichte über die geplante Amnestie haben sofort Unterstützer und Gegner des Ex-Premierministers auf die Straße gebracht. Anhänger der „Einheitsfront für Demokratie und gegen Diktatur“ (UDD) – besser bekannt als Rothemden – haben in mehreren Städten des Landes Kundgebungen abgehalten, um die Regierung bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. In Bangkoks Geschäftsviertel Silom, der Hochburg der privilegierten Thaksin-Gegner, nahmen am Freitag etwa 1000 Menschen an einem Protest gegen die geplante Amnestie teil. Einige von ihnen hielten Plakate in die Höhe, auf denen stand: „Thaksin fuck you.“ Thaksin selbst erklärte inzwischen aus seinem Exil, er wisse nichts von der geplanten Amnestie und würde eine solche auch nicht annehmen. Dies allerdings dürften ihm selbst seine treuesten Unterstützer nicht glauben. In Bangkok planen Anhänger und Gegner des Ex-Premiers schon neue Proteste.

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