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Panorama: Der Dieb geht um

Nirgendwo auf der Welt wird so viel geklaut wie im Vatikan

Nirgendwo sonst auf der Welt wird soviel gestohlen wie im Vatikanstaat. Mit dieser überraschenden Nachricht sorgt der Kirchenstaat für großes Aufsehen. Im Verhältnis zu einer Bevölkerung von nur 455 Bewohnern kam es im Jahr 2002 zu 608 Diebstählen, die dem päpstlichen Gericht gemeldet wurden. Ein Verhältnis, das weltweit einmalig ist. Bekannt wurde die Zahl der Diebstähle im Minireich des Papstes während der Eröffnung des so genannten Justizjahres.

Mit einer feierlichen Zeremonie, die zum ersten Mal überhaupt öffentlich in Anwesenheit sämtlicher Kurienkardinäle stattfand, feierten die vatikanischen Richter den Beginn des Jahres 2003. Grund genug, dachten sie sich, einige Interna aus ihrer bisher geheim gehaltenen Arbeit preiszugeben. Zu den meisten Diebstählen im Kirchenstaat kam es in der stark von Gläubigen und Besuchern frequentierten Peterskirche und in den vatikanischen Museen. Aber auch im staatseigenen Supermarkt sowie in der Apotheke, die beide für Ausländer nicht ohne weiteres zugänglich sind, waren Langfinger am Werk.

Neben 608 Strafrechtsangelegenheiten kam es im vergangenen Jahr zu 397 Zivilrechtsverhandlungen vor vatikanischen Gerichten. Die Richter des Papstes gaben auch bekannt, dass fast alle Vergehen von Ausländern begangen wurden und nur in ganz wenigen Fällen von Vatikanbürgern.

Neben Diebstählen mussten die Richter auch bei Strafangelegenheiten wegen zu schnellen Autofahrens und Falschparkens auf dem Gelände des Vatikans Urteile sprechen. Ein anderer Punkt richterlicher Arbeit betrifft das Fluchen, dass im Kirchenstaat strikt verboten ist. So gilt es immer noch als besonders böses Vergehen, Schimpfworte auszusprechen, in denen Gott, Jesus und Maria oder gar der Papst vorkommt. Wie viele Vatikanbürger sich wegen solcher Flüche vor dem päpstlichen Tribunal verantworten mussten, das gaben die Richter während der Eröffnung des Justizjahres nicht bekannt.

Wie jeder andere unabhängige Staat verfügt auch der Vatikan neben einem Sondergericht für kirchenrechtliche Angelegenheiten, der Sacra Rota, über eine „normale“ Rechtsprechung. So gibt es ein Tribunal der ersten Instanz, ein Appellationsgericht und einen Kassationshof. Es gibt auch ein Gefängnis, das aber nur über zwei Zellen verfügt. Zellen, die von der Schweizer Garde verwaltet werden. Viel haben die jungen Schweizer allerdings mit ihrem Gefängnis nicht zu tun. Fast immer steht es leer.

Thomas Migge[Rom]

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