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Eine alte Tradition ist in Gefahr. Studenten mit Wasserpfeife in einem Café in Ankara.

© AFP

Der Duft der kleinen Welt: Die Türkei will die traditionelle Wasserpfeife in Cafés verbieten

Der Gesprächskultur in den Kaffeehäusern droht das Aus. Die Regierung weitet das Rauchverbot in geschlossenen Räumen aus. Sie verweist dabei auf gesundheitliche Gründe.

Ahmet Akkaya nimmt einen tiefen Zug. Im „Cinaralti Nargile Café“ in der Nähe des Bosporus vernebelt der Rauch aus mehreren Dutzend Wasserpfeifen die Luft, es duftet nach Apfel, Zimt und – in Akkayas Fall – nach Capuccino. Fast jeden Tag kommt Akkaya nach der Arbeit hierher, um mit Freunden zu plauschen und die eine oder andere Wasserpfeife mit Capuccino-Geschmack zu rauchen. Von ihm aus könnte das immer so weitergehen, doch die Regierung in Ankara hat andere Pläne. Sie will ein Wasserpfeifen-Verbot in Kraft setzen, das Nargile-Aficionados wie ihn nach draußen treiben wird.

Als Stammkunde erhält Akkaya im „Cinaralti“ seinen eigenen Wasserpfeifen-Schlauch, der mit seinem Namen versehen und mit den Farben seines Lieblings-Fußballvereins Fenerbahce Istanbul geschmückt ist. Wenn er nicht gerade mit einem Kumpel über Fußball redet, spielt der 47-Jährige auf seinem Tablet-Computer und lässt einfach nur die Zeit verstreichen. „Ich habe auch eine Nargile zu Hause, aber die benutze ich nie“, sagt Akkaya. „Ich rauche nur hier, wenn ich unter Leuten bin.“

Mehrere Stunden dauert es, bis man eine Nargile geraucht hat. Es ist ein gemütlicher Zeitvertreib in einer immer schneller werdenden Welt. Nargile-Raucher blicken deshalb mit einer Mischung aus Mitleid und Verachtung auf die hektischen Zigarettenraucher herab. „Die Nargile hat etwas mit Gesprächskultur zu tun“, sagt Akkaya. Bekannte Journalisten und Ex-Fußballprofis gehen im „Cinaralti“ ein und aus. „Aber wir reden alle miteinander, hier ist jeder gleich.“

Akkayas heile Nargile-Welt ist allerdings akut bedroht. Das bereits seit vier Jahren bestehende Rauchverbot in Bars, Restaurants und Teehäusern der Türkei gilt ab dem Sommer auch für Nargile-Cafés. Zusätzlich veröffentlichte die Regierung des militanten Nichtrauchers und Premiers Recep Tayyip Erdogan diese Woche begleitende Vorschriften, die unter anderem festlegen, dass Nargile-Cafés einen Mindestabstand von 200 Metern von Schulen einhalten müssen.

Die neuen Regeln sollen auch den schwunghaften Handel mit geschmuggeltem Wasserpfeifen-Tabak eindämmen. Jedes Jahr gehen dem türkischen Finanzamt umgerechnet rund 200 Millionen Euro an Steuereinnahmen durch die Lappen, weil die Nargile-Cafés unverzollten Importtabak in ihre Pfeifen stopfen. Besonders junge Leute und arabische Touristen haben der Nargile in der Türkei in den vergangenen Jahren zu einem beträchtlichen Aufschwung verholfen.

Steuerausfälle sind aber nicht der Hauptgrund für das geplante Rauchverbot in Innenräumen. Im Vordergrund steht die Gesundheitsgefahr durch die Nargile, die nach Ansicht der Regierung klar bewiesen ist. Der Rauch einer Wasserpfeife enthalte so viel Gift wie zweieinhalb Packungen Zigaretten, sagt der Gesundheitspolitiker Cevdet Erdöl, der das Nargile-Verbot entworfen hat.

Mediziner beklagen, dass besonders junge Leute wegen des angenehmen Aromas von Wasserpfeifen-Rauch fälschlicherweise annähmen, die Nargile sei harmlos. Der islamische Gesundheitsverband Yesilay, der auch gegen Alkohol und Zigaretten zu Felde zieht, sprach sogar von einer „Nargile-Epidemie“.

Wasserpfeifen-Freund Akkaya ist ratlos. Das Verbot findet er übertrieben, und er sorgt sich um sein Sozialleben. „Gestern zum Beispiel hat es Hunde und Katzen geregnet“, sagt er und zeigt zum Fenster des „Cinaralti“. Was, bitte schön, solle er denn in Zukunft an einem solchen Tag anstellen? „Im Sommer ist das ja kein Problem“, sagt er über den Innenraum-Bann für die Nargile. „Aber was mache ich im Winter?“

Nur ein paar hundert Meter weiter hat das „Nargilem Café“ bereits eine Lösung gefunden: Gasbrenner gegen die Kälte, große Schirme gegen den Regen, Plastikplanen gegen den Wind. Dennoch ist Kellner Nurullah Poyraz sicher, dass es bergab geht mit dem Café. „Das ist schlecht für uns“, sagt er über die Neuregelung.

Dagegen hat Arkin Kocaman im benachbarten „Milano Café“ die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Vielleicht kann man ja noch was machen“, sagt er über die neuen Vorschriften, die Ende Juli wirksam werden. „Neue Belüftungsanlagen oder so.“

Doch es ist unwahrscheinlich, dass sich die Gesundheitspolitiker in Ankara auf solche Lösungen einlassen werden. Selbst einige Wasserpfeifen-Freunde unterstützen die Novelle. „Wir wissen ja, dass es gesundheitsschädlich ist, und da wollen wir keinem anderen schaden“, sagt Gürkan Aydemir, der sich bei einem Spiel Tavla, dem türkischen Backgammon, eine Wasserpfeife mit einem Freund teilt. Aydemir, Mitglied in Erdogans Regierungspartei AKP, verweist auf die hohen Summen aus Steuergeldern, die jedes Jahr zur Behandlung von Krebspatienten ausgegeben würden.

Im „Cinaralti Café“ zweifelt Ahmet Akkaya trotzdem am Sinn der ganzen Reform. Das Nargile-Verbot werde den Alkohol-Konsum in die Höhe treiben, sagt er voraus. „Wenn ich im nächsten Winter meine Freunde treffen will, dann rufe ich sie an und sage: ‚Wir treffen uns in der oder der Kneipe“, beschreibt er die bierselige Zukunft, die er auf sich zukommen sieht. „Ist das denn besser?“

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