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Panorama: Der erste Stein

New York legt am Ground Zero das Fundament für den Freiheitsturm von Daniel Libeskind

Der massive, über 20 Tonnen schwere, dunkelgrüne Granitklotz wirkt in der riesigen Grube wie ein kleiner Fleck. Am Sonntag kurz vor Mittag hob ein Kran den Grundstein für den Freedom Tower – den Freiheitsturm – am Ground Zero in Manhattan an seinen Platz. Damit ist fast drei Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 der Grundstein für den Neubau auf dem Gelände des zerstörten World Trade Centers gelegt worden. Der Wolkenkratzer ist das Herzstück des von dem Architekten Daniel Libeskind entworfenen Gebäude-Ensembles.

Nach der sehr sachlichen Zeremonie am amerikanischen Nationalfeiertag wird erst einmal lange nichts passieren. In den kommenden zehn Monaten werden Bauarbeiter die Überreste eines Parkhauses in der Baugrube abreißen, ehe der Turm in die Höhe wachsen kann, der den New Yorkern Zuversicht und Mut geben soll. 1,5 Milliarden wird er kosten, spätestens 2009 soll er fertig sein.

George Pataki, Gouverneur des Staates New York und formal Besitzer des Grundstückes, auf dem das World Trade Center stand, hatte dennoch zur Eile gedrängt. Er wollte den symbolträchtigen Schritt am 4. Juli vollziehen, an jenem Tag, an dem die Amerikaner ihre Unabhängigkeitserklärung feiern. „Wie sehr haben unsere Feinde die Zähigkeit dieser Stadt und die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten unterschätzt“, rief Pataki am Sonntag den über hundert geladenen Gästen zu. „In weniger als drei Jahren haben wir mehr als nur Pläne aus Papier – wir setzen heute den neuen Eckstein, das Fundament für einen neuen Turm.“

Danach las der Sohn eines der Polizeibeamten, die am 11. September ihr Leben verloren, eine Passage aus der Erklärung, mit der Amerika sich 1776 von Großbritannien losgesagt hatte. Das Philharmoniker spielten, Dudelsack-Töne drangen aus der Grube und zu den Klängen der Nationalhymne schwebte der Stein an seinen Platz. Draußen auf den Straßen rund um Ground Zero ging die Zeremonie fast unbemerkt vonstatten. Die Touristen schoben sich wie immer am Zaun entlang, der die Baustelle von der Umgebung abtrennt. Die Züge der Regionalbahn schlichen ihrer Endstation entgegen und gaben ihren Passagieren einen kurzen Blick in die Grube frei. Viel mehr ist am Wochenende in dem Geschäftsbezirk ohnehin nicht los, und weil wegen des 4. Juli auch der Montag für die meisten noch frei ist, flohen viele New Yorker aus der Stadt.

Doch mit dem Alltag werden auch die alten Diskussionen wieder beginnen. Etwa, wie viel denn noch übrig geblieben ist von dem preisgekrönten Masterplan des Daniel Libeskind. Der Freedom Tower wird zwar wie von ihm vorgesehen, in Anlehnung des Unabhängigkeitsjahres, 1776 Fuß (541 Meter) hoch werden, doch ansonsten trägt er die meisten Merkmale von Larry Silversteins Chefarchitekt Chris Childs. Immobilienmagnat Silverstein selbst, der die Zwillingstürme des World Trade Centers kurz vor dem Anschlag am 11. September 2001 auf 99 Jahre gepachtet hatte, sieht sich unterdessen immer drängenderen Fragen ausgesetzt, ob er das Projekt überhaupt bezahlen kann.

Nachdem er vor Gericht unterlag, wird er von den Versicherungen nur knapp vier statt der erhofften 7,5 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau erhalten. Silverstein selbst beschwichtigt, er habe „mehr als genug Geld“. Doch die zuständige Hafenverwaltung von New York und New Jersey will Zahlen und Beweise sehen. Sie befürchtet, dass zwar der Freedom Tower wie vorgesehen die neue Skyline von Manhattan zieren wird, aber die darum herum ebenfalls geplanten vier weiteren Bürotürme mangels Geld und mangels Nachfrage eine Illusion bleiben werden. Ihr Ziel ist es jedoch, die Wunden am Ground Zero so schnell wie möglich zu schließen. Zumindest die sichtbaren, die anderen verheilen ohnehin sehr viel langsamer.

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