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Die thailändische Leihmutter, Pattaramon Chanbua, mit Gammy.

© AFP

Update

Der Fall Gammy: CDU lehnt Lockerung der Leihmutter-Regelung in Deutschland ab

Der Wunsch vieler Eltern nach Kinder hat sich zu einem boomenden Wirtschaftszweig entwickelt. In Deutschland wird eine Lockerung der Leihmutter-Regelung diskutiert. In Indien geht das Geschäft weiter.

Der tragische Fall des behinderten Babys Gammy, das durch eine Leihmutter in Thailand zur Welt gebracht wurde, hat weltweit Aufsehen erregt. Der Fall wirft auch ein Schlaglicht auf die rechtliche Lage der Leihmütter. Sie ist weltweit sehr unterschiedlich.

Rechtliche Lage in Deutschland

Sollen Leihmutterschaften in Deutschland verboten bleiben oder nicht? Der Präsident der deutschen Standesbeamten hat eine klare Haltung: In bestimmten Fällen sollte man die Leihmutterschaft aus humanitären Gründen erlauben.. Jürgen Rast plädiert für eine Legalisierung von Leihmutterschaften in bestimmten Fällen.

Unter Umständen sollte das bestehende Verbot nicht mehr gelten, sagte Rast. „Wenn Paare kein Kind bekommen können, ist es meiner Meinung nach aus humanitären Gründen akzeptabel, ihnen doch so diese Möglichkeit zu eröffnen. Wenn das Prinzip der Leihmutterschaft allerdings zum Geschäft ausartet, ist es strikt abzulehnen.“ In Russland und Thailand gebe es etwa Einrichtungen, die junge, gebärfähige Frauen regelrecht vermieteten.

Weltweit für Schlagzeilen sorgt derzeit der Fall des behinderten Leihmutter-Babys Gammy. Eine 21-Jährige hatte in Thailand in eine Leihmutterschaft eingewilligt und Berichten zufolge 10.000 Euro bekommen. „Durch diesen Fall wird die Diskussion über das Thema wieder angefacht. Das bewegt die Menschen“, sagte Rast, der auch Vize-Präsident des Europäischen Verbandes der Standesbeamtinnen und Standesbeamten (EVS) ist.

Große Koalition gegen Leihmutterschaft

Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte: „Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass Leihmutterschaft von der Regierungskoalition abgelehnt wird.“ Die Leihmutterschaft wird darin als mit der Würde des Menschen unvereinbar angesehen. Änderungen beziehungsweise Lockerungen in dieser Frage seien derzeit nicht geplant, sagte die Sprecherin. Verbandspräsident Rast berichtete von Fällen in deutschen Standesämtern, bei denen Eltern versuchten, von Leihmüttern ausgetragene Babys mit ausländischen Geburtsurkunden in Deutschland anzumelden. Dieses Vorgehen ist aber illegal. „Einige Eltern gehen aber auch so vor, dass es oftmals gar nicht auffällt.“ Die Vermittlung von Leihmüttern ist nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz strafbar.

Das Embryonenschutzgesetz verbietet Ärzten zudem, Leihmutterschaften zu betreuen. Das bedeutet für Paare mit Kinderwunsch, bei denen die Frau kein Kind austragen kann: Sie müssen versuchen, ein Kind zu adoptieren. Gleiches gilt für homosexuelle Paare. Oder sie müssen ins Ausland ausweichen, wo andere Gesetze gelten. Hierzulande gilt Leihmutterschaft als Form der „Geburtenhilfe“ als sittenwidrig. Und auch in EU-Ländern wie Österreich, Frankreich oder Italien besteht laut einer Übersicht des EU-Parlaments ein Verbot. Viele Paare mit Kinderwunsch fliegen deshalb in die USA, nach Indien oder in die Ukraine.

Zwar werden hierzulande weder die Eizellenspenderin, noch die Leihmutter oder die „Wunscheltern“ strafrechtlich verfolgt. Ein Arzt, der den ärztlichen Eingriff vorgenommen hat, muss nach dem Embryonenschutzgesetz von 1991 allerdings mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen. Überdies untersagt Paragraph 13 des 1976 verabschiedeten Adoptionsvermittlungsgesetzes die Vermittlung einer Ersatzmutter an sogenannte Bestelleltern.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Hubert Hüppe bezeichnete den Fall des kleinen Gammy als „Warnsignal“. „Der Fall der thailändischen Leihmutter zeigt, dass bezahlte Leihmutterschaft letztlich Menschenhandel ist. Denn ein Vertrag verpflichtet die Leihmutter zur Herausgabe des Kindes und regelt die ihr dafür zustehende Bezahlung.“

Im Ausland wird es teuer für Eltern

Der Weg ins Ausland kann da Abhilfe schaffen, bringt jedoch finanzielle Herausforderungen mit sich: In den USA kann die Vermittlung einer Eizellenspenderin und Leihmutter schon einmal 50.000 US-Dollar kosten. Billiger ist dies beispielsweise in Indien oder der Ukraine. Doch sind die rechtlichen Risiken in diesen Ländern größer. Während ein in den USA geborenes Kind automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft bekommt und damit eine Ausreise nach Deutschland vergleichsweise leicht ist, rät das Auswärtige Amt in seinen Reisehinweisen zu Indien und der Ukraine direkt von einer Leihmutterschaft ab. Kinder, die durch Leihmutterschaft im Ausland zur Welt kommen, können laut Auswärtigem Amt nämlich nur dann einen deutschen Reisepass ausgestellt bekommen, „wenn eine rechtswirksame Abstammung von einem deutschen Elternteil vorliegt“. Erst damit ist eine Ausreise des Kindes nach Deutschland möglich. Dieser Abstammungsnachweis stellt sich jedoch als kompliziert heraus. Hinsichtlich der genetischen Abstammung vermerkt das Amt: „Mutter eines Kindes ist nach deutschem Recht die Frau, die es geboren hat, also die Leihmutter und nicht die ’Wunschmutter’.“ Ausländische Geburtsurkunden, auf denen dennoch angegeben ist, dass die Wunschmutter die rechtliche Mutterschaft innehat, werden hierzulande nicht anerkannt. Daraus folgt, dass die deutsche Staatsbürgerschaft der Wunschmutter nicht auf das Kind übertragen werden kann, da sie rechtlich gesehen gar nicht verwandt sind.

Auf der Seite der Väter verhält es sich ähnlich. Zunächst gilt der Ehemann der Leihmutter als Vater. Ist die Leihmutter jedoch ledig, ist es einfacher für deutsche Wunschväter, die rechtliche Vaterschaft anerkannt zu bekommen. In einem zweiten Schritt kann dann die Leihmutter der Adoption des Kindes durch die „Wunschmutter“ zustimmen. Im Fall einer Leihmutter aus Indien verfügte das Verwaltungsgericht Berlin im April 2011, es sei bei Zweifeln über die Staatsangehörigkeit „nicht Aufgabe der Auslandsvertretung der Bundesrepublik, Feststellungen zur Staatsangehörigkeit im Rahmen eines Passverfahrens nach eigenen Bewertungen zu treffen.“ Auf diese Rechtslage weist das Auswärtige Amt ausdrücklich in seinen Reisehinweisen zu Indien hin. Ebenso steht der Hinweis zu Leihmutterschaften auf der Webseite der Deutschen Botschaft in Kiew. Homosexuelle Paare, die sich an eine Leihmutter wenden wollen, können allerdings nicht in die Ukraine. Zudem gibt es kein adäquates Adoptionsgesetz, dass ihnen eine gemeinsame Adoption von Kindern aus einer Leihmutterschaft erlaubt.

Hohe Strafen in Frankreich, Verbot in Australien, Boom in Indien

Wie geht es Gammys Zwillingsschwester in Australien?
Wie geht es Gammys Zwillingsschwester in Australien?

© DPA

Leihmutterschaften sind in Frankreich durch ein Gesetz von 1994 verboten. Wer gegen das Verbot verstößt, dem drohen drei Jahre Gefängnis und 45 000 Euro Geldbuße. Auch Vermittler, die den Kontakt zwischen Wunscheltern und Leihmüttern herstellen, müssen mit hohen Strafen rechnen. Trotzdem gibt es jedes Jahr etwa 200 Fälle von Kindern, die von französischen Eltern gezeugt, aber von Leihmüttern im Ausland ausgetragen wurden.

Durch ihre Geburt zum Beispiel in den USA sind solche Kinder amerikanische Staatsbürger, der französische Staat erkennt aber ihre Abkunft von französischen Eltern nicht an und verweigert ihnen die französische Staatsbürgerschaft. Auf die Probleme, die mit dieser Umgehung des Verbots für die „Phantomkinder der Republik“ verbunden sind, wurde kürzlich die  Öffentlichkeit durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufmerksam.

Am 26. Juni verurteilten die Richter den französischen Staat im Fall zweier durch Leihmutterschaft in Kalifornien geborener Kinder, deren Abkunft von französischen Eltern vom Obersten Gericht dieses US-Bundesstaates anerkannt worden war, „im übergeordneten Interesse der Kinder“ dazu, diese ins Standesregister einzutragen und sie als Franzosen anzuerkennen. Durch diese Entscheidung könnte die Frage der Aufhebung des Verbots der Leihmutterschaften in Frankreich wieder aktuell werden.

Im Wahlkampf 2012 hatte sich der sozialistische Präsident Francois Hollande gegen entsprechende Forderungen   ausgesprochen und daran auch im Streit um die Homo-Ehe festgehalten. Um die Kontroverse zu entschärfen, hatte Justizministerin Christiane Taubira im Januar 2913 die Behörden in einem Erlass  aufgefordert, die Anerkennung als Franzosen solcher aus Leihmutterschaften im Ausland hervorgegangener Kinder zu erleichtern. Von der konservativen Opposition war dies als Versuch denunziert worden, das Verbot zu durchlöchern.

Boom in Indien

In Indien ist das Geschäft mit der Leihmutterschaft ein boomender Wirtschaftszweig. Das Land gilt als eins der beliebtesten Ziele für kommerzielle Leihmutterschaft. Indienweit soll es 3000 Kliniken geben. Ihr Umsatz soll sich laut Schätzungen auf 300 Millionen Euro belaufen. Den Service nutzen nicht nur unfruchtbare Paare, sondern auch Reiche, die das Kind nicht selbst austragen wollen. Etwa zwei Dutzend Kliniken haben sich auf Ausländer spezialisiert. 2013 wurden die Gesetze allerdings verschärft. Die Wunscheltern in spe müssen nun auf einem speziellen Visum einreisen. Dieses erhalten offiziell nur Paare, die in einem Land leben, das eine grenzüberschreitende Leihmutterschaft erlaubt. Ledige und homosexuelle Paare dürfen keine Kinder mehr von Inderinnen austragen lassen. Die Kosten für eine Leihmutterschaft liegen bei 8 000 bis 28 000 Euro. 3000 bis 9000 Euro fließen den Leihmüttern zu. Für die Frauen, die meist aus ärmeren Verhältnissen kommen, ist dies ein Vermögen. Die Summe entspricht mehreren Jahresverdiensten.

Viele Frauen entscheiden sich für die Leihmutterschaft, um ein Haus zu kaufen, ein Geschäft zu eröffnen oder eine gute Schule für ihre eigenen Kinder bezahlen zu können. Oft ist es für die Frauen die einzige Chance, an Geld zu kommen. Auch in Indien gibt es aber Kritik an dem Geschäft mit den „Bäuchen zur Miete“. Frauenrechtlerinnen nennen die Kliniken „Baby-Fabriken für die Reichen“. Es gibt mehrere Initiativen, den Schutz der Leihmütter zu verbessern.

Verbot in Australien

In Australien ist kommerzielle Leihmutterschaft generell verboten. In den Bundesstaaten New South Wales, Queensland und in der Hauptstadt Canberra ist es der Bevölkerung außerdem untersagt, gegen Geld Leihmütter im Ausland zu verpflichten. Einwohner aller anderen Bundesländern können kommerzielle Leihmutterschaften vereinbaren. Die meisten Australier aus diesen Bundesländern haben meist über Vermittlungsagenturen Frauen in Thailand, Indien oder den USA gefunden. Die bekanntesten Australier, die diese Dienste in Anspruch genommen haben, sind die Schauspielerin Nicole Kidman und ihr Mann, der Countrysänger Keith Urban. Ihre zweite Tochter Faith Margaret wurde von einer Frau in den USA in Nashville ausgetragen.

Verworrene Lage in Thailand

In Thailand scheint die gesetzliche Lage derzeit verworren. Nach Medienberichten hat die Militärregierung angekündigt, hart gegen kommerzielle Vereinbarungen anzugehen und lediglich eine freiwillige Leihmutterschaft durch eine Verwandte eines verheirateten Paares zu erlauben. Bisher war die kommerzielle Leihmutterschaft offenbar zumindest geduldet worden. Nach Medienberichten hatten sich neben seriösen Agenturen auch diverse dubiose Vermittler auf diesem Gebiet betätigt, die sogar das Geschlecht des Kindes garantierten. (mit DPA)

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