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Panorama: Der Mann hinter... dem Papst

Piero Marini ist der Zeremonienmeister des Vatikans – und hat seinem Chef die Pantoffeln ausgeredet.

Papst Johannes Paul II. interpretiert die Würde seines Amtes auf seine Art. Deutlich geschwächt von Gelenkschmerzen und Parkinsonscher Krankheit führt er jede Messe persönlich durch und seine Gebrechlichkeit öffentlich vor, mit zitterndem Arm und stockender Stimme. Für ihn steckt in dem körperlichen Leiden eine Prüfung: Auch Christus litt, als er mit dem Kreuz auf dem Rücken durch Jerusalem getrieben wurde – und war das würdevoll? So ist es die Aufgabe von Erzbischof Piero Marini, dem Zeremonienmeister des Vatikans, jeder Messe einen würdevollen Rahmen zu geben. Er organisiert den Ablauf wie beim traditionellen Ostersonntag-Gottesdienst, wacht immer hinter dem Heiligen Vater und assistiert ihm beim Aufschlagen der Texte. „Wie Vater und Sohn“, charakterisierte die „Süddeutsche Zeitung“ das Verhältnis der beiden Ordensträger.

Seit seiner Jugend beschäftigt Marini sich mit der Liturgie – der theologischen Wissenschaft, wie ein Gottesdienst abzuhalten ist. Er studierte sie als junger Priester, unter anderem in Köln, ging nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 und wegen der dort angestoßenen Reformen in den Vatikan, arbeitete als persönlicher Sekretär des Liturgie-Reformators Annibale Bugnini und lehrte Liturgie an der Universität Rom.

Im Januar 1998 bewies Marini bereits, wie sehr sich der Papst auf ihn verlassen kann. Während einer Taufzeremonie in der Sixtinischen Kapelle drohte Johannes Paul II., der gerade eine schwierige Hüftoperation hinter sich hatte, nach vorne zu fallen. Schnell ergriff Marini den Arm des Papstes und stützte ihn. Einige Sekunden verharrte das Oberhaupt der katholischen Kirche in der Position, dann zog der Erzbischof auf ein Zeichen des Papstes hin den Arm zurück und die Taufe von 19 Babies aus aller Welt ging würdevoll weiter. Ein Jahr darauf überredete Marini in Neu-Delhi einen Führer der Sikhs, sein gezücktes Schwert vor Johannes Paul wegzustecken – auch wenn das im Ehrenkodex der Sikhs als Zeichen der Würde galt. Die italienische Presse nennt ihn seitdem den „Schutzengel des Papstes“.

Dabei schien das Verhältnis anfangs kaum von solchem Vertrauen erfüllt. Als Marini seine Tätigkeit als Maestro delle Celebrazione Liturgiche Pontificie 1987 aufnahm, ignorierte ihn der Papst, schlug das Messbuch selbst auf und segnete eigenhändig den Altar mit Weihrauch. Heute dirigiert der 63-Jährige alle päpstlichen Zeremonien, reist mit um die Welt und kontrolliert noch einmal jedes Detail zwei Stunden vor Beginn. Er hält dem Papst die Zettel mit dem Text der Ansprache und lenkt mit Blicken die Priester, die das Mikrophon halten oder den Rollstuhl des Papstes schieben.

Der hochgewachsene Mann aus dem norditalienischen Valverde sieht es als seine Aufgabe an, dem Stellvertreter Gottes die Umstände der Messe so weit wie möglich zu erleichtern. So ließ er Rampen bauen, auf dem der Stuhl des Papstes zum Altar rollen kann – oder Fahrstühle, so dass Treppen umgangen und die päpstlichen Knie geschont werden. Außerdem kürzte er den Text des Segens „Urbi et orbi“, um die zittrige Stimme des Oberhauptes nicht zu strapazieren.

Papst Johannes Paul II. und Bischof Marini bemühen sich, das Bild der katholischen Kirche zu reformieren. Jeder auf seine Art: Der eine kümmert sich um die Aussöhnung mit den Weltreligionen und mischt sich in Fragen der Weltpolitik ein, der andere nimmt den päpstlichen Feierlichkeiten den prunkvollen Ballast und mischt sie mit Elementen anderer Kulturen. Die Pantoffeln aus Samt und Seide, die noch seine Vorgänger für den Ritus des Pantoffelkusses benutzten, haben der jetzige Papst und sein „Regisseur“ so durch einfache Slipper ersetzt.

Die Öffnung gegenüber anderen Kulturen eint sie. Marini bemüht sich während der vielen Papstreisen, die Kulturgeschichte der Gläubigen zu respektieren, manchmal sogar zu repräsentieren. In Mexiko nahm er zum Beispiel eine Reinigungszeremonie der Indianer, die böse Geister vertreiben soll, in die Messe auf. Johannes Paul sieht das gelassen. Ihm wird kein großes Interesse für liturgische Details nachgesagt, eher Ambitionen in der Politik. In konservativen Kreisen stößt Marini hingegen auf Ablehnung. Kritiker wie Bischof Jorge Medina Estevez nennen seine Praktiken „zweifelhaft“, die traditionell eingestellte „New Oxford Review“ beschimpfte seine Messen als Broadway-Show – und Marini selbst als „notorischen Reformer“.

Die Hinwendung zu anderen Kulturen, die Vereinfachung der katholischen Riten – das waren Ziele der Reformen von 1965, die Marini, der seit sechs Jahren Erzbischof von Martirano in Süditalien ist, in seinem Amt durchsetzt. Ein ausgeprägter Machtwille spielt dabei keine Rolle. Deshalb wird dem Mann, dem jährlich Millionen Menschen im Fernsehen zuschauen, keine Chance als Nachfolger eingeräumt, sollte Johannes Paul II. das Zeitliche segnen. Piero Marini gefällt sich als Organisator – als ein Mann, der das Image der katholischen Kirche mit seinen Zeremonien genauso prägt wie der Papst mit seinen Reden.

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