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Twittern und päpstliche Terminologie - das passt.

© dpa

Der Papst auf Twitter: Urbi @ orbi

Die Pfarreien sterben, es lebe die Community. Papst Benedikt fischt ab Montag im Web nach Followern. Der Vatikan feiert vorab, unser Autor ist gespannt. Denn dass wichtige Botschaften am besten in 140-Zeichen-Häppchen serviert werden, wusste schon Moses.

Lady Gaga tut es längst; nun beginnt auch der Papst mit der Twitterei, und der Vatikan kündigt diese epochale Neuerung mit einem Wortschwall an, der ganz im Widerspruch zu den 140 Zeichen steht, die Benedikt XVI. künftig für jedes seiner „Gezwitscher“ zur Verfügung hat. Am Montag soll der päpstliche „account“ bei einer großen Pressekonferenz präsentiert werden, aber schon vorab schwärmen römische Kirchenleute von den „neuen Möglichkeiten der Evangelisierung“, von den „großen Wahrheiten, die sich in kleinen Worten ausdrücken lassen“, vor allem aber – das läuft theologisch wohl auf ein elektronisches Brotbrechen hinaus – von den Möglichkeiten, religiöse Wahrheiten und Erfahrungen weltweit zu „teilen“. Zwitschern und weiterzwitschern; die Pfarreien sterben, es lebe die „Community“.

Der Jesuitenpater Antonio Spadaro sieht Benedikts Twitterei schon „in einer Linie mit der ersten großen Radiobotschaft eines Papstes“. Pius XI. sprach diese im Februar 1931. Das aber war eine Pionierleistung in einer Zeit, in der eine Botschaft noch eine Botschaft war und nicht Fragment jenes millionenfach vermehrten Geschwätzes, das die Welt seither überzieht. Aber Pater Spadaro muss es wissen. Der Chef der einflussreichen, im Vatikan vor jeder Veröffentlichung gegengelesenen Zeitschrift „La Civiltà Cattolica“ nennt sich gerne einen „Cybertheologen“ und führt einen entsprechenden Blog. Vielleicht wird ja Christus, klassisch als „Herr des Alls“ angesprochen, bei ihm ja künftig zum „Webmaster im Cyberspace“. Das ist dann eben die Zukunft, nichts zu machen.

Wobei – Zukunft: auf Twitter ist Benedikt eher spät dran. Bischöfe und Kardinäle sind ihm  voraus. In der konfessionellen Nachbargalaxie hat die Herrnhuter Brüdergemeine mit ihren täglichen Bibel-Losungen längst den App- und Twitter-Space erobert und dabei bewiesen, dass sich auch mit  140 Zeichen eine Menge anfangen lässt. Hat nicht Moses, in weiser Voraussicht, seinerzeit bereits die zehn Gebote in zwitschertaugliche Häppchen gepackt? Und Jesus die Bergpredigt („Wehe euch, ihr Reichen...“)?

Das Twittern mag für päpstliche Kreise auch deshalb so attraktiv sein, weil sich seine Terminologie so anhört wie die direkte Umsetzung einer neutestamentlichen Szene: Jesus ruft den Fischer Simon Petrus – „von jetzt an wirst du Menschen fangen!“ – samt dessen Netz in seine „Nachfolge“. Der twitternde Benedikt fischt per „web“ nach „followers“. Und all das hat die Bibel schon vorausgesehen.

Aber was wird Benedikt – praktisch wohl eher sein (Holy-)Ghostwriter – der Welt zwitschern? Auszüge aus den päpstlichen Reden könnten es sein, meint Padre Spadaro, die „in gewissermaßen poetischer Textarbeit und -verdichtung“ auf Format gebracht würden. Bestimmt, sagen andere, auch der Segen „urbi et orbi“, den die neue Welt ohnehin längst „urbi @ orbi“ schreibt. Lehrsätze aus dem Katechismus natürlich, vielleicht aber auch, so unkt mancher, die Essentials katholischer Moral. „Macht’s ohne!“ würde der Papst demnach zwitschern, während sämtliche Gesundheitsorganisationen „Macht’s mit!“ rufen. Aber irgendwie muss sich Benedikt XVI., der die „Entweltlichung der Kirche“ predigt, ja auch von dieser Welt abheben.

Übrigens hat Benedikt neulich eine „Akademie für die lateinische Sprache“ gegründet. Da bei diesem Papst, seinen römischen Interpreten zufolge,  nie irgendetwas als ein „Schritt zurück“ verstanden werden darf, bringen Experten auch die neue Latinität in Zusammenhang mit der Twitter-Zukunft. Auf lateinisch, sagen sie, lasse sich alles viel knapper ausdrücken als in jeder modernen Sprache. Die hochweise „Neue Zürcher Zeitung“  lehrt  uns aus päpstlichem Anlass bereits, dass „twittern“ von Lateinern heute mit „breviloqui“ übersetzt werde. „Breviloqui“ aber heißt nur „kurzsprechen“; der leichte, vogelflügelige Aspekt des „Zwitscherns“ fehlt. Cicero hätte die Vögel seinerzeit „fritinnire“ lassen. Und so wird Benedikt XVI. im nächsten vatikanischen Jahrbuch wohl nicht als "kurzsprechend" bezeichnet werden, sondern als „feliciter regnans et fritinniens“. Als „glücklich regierend und zwitschernd“. Das klingt so nett, wir wünschen es ihm.

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