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Panorama: Der Sieger hat verloren

Nach dem Beinbruch wurde der legendäre Barbaro doch noch eingeschläfert

Nur wenige Menschen werden so betrauert, geschweige denn Tiere. Aber Barbaro war schon lange kein normaler Sterblicher mehr. Millionen projizierten ihre Hoffnungen, ihre Liebe und ihre Sehnsucht nach Helden auf den Hengst. Amerikas Pferdesport hatte bessere Zeiten gesehen, Barbaro, der Unbesiegbare, war ein Geschenk für die Branche, nicht nur für die Eigner Roy und Gretchen Jackson. Ihm traute man zu, eines der großen Rennen in Europa zu gewinnen, das Epsom Derby oder den Prix de l’Arc de Triomphe. Bis zum 20. Mai 2006.

Barbaro trat beim Preakness Stakes in Baltimore an. Zwei Wochen zuvor hatte er das Kentucky Derby souverän gewonnen, der sechste Sieg in Folge – vor allem aber: mit sechseinhalb Längen Abstand. Eine solche Deklassierung bei einem Grand Prix hatte Amerika seit 1946 nicht mehr erlebt. Er war der heiße Favorit auf die US Triple Crown, die einem Dreijährigen gebührt, der neben Kentucky und Preakness auch das Belmont Stakes im Staat New York gewinnt. In 125 Jahren war das elf Mal gelungen, zuletzt 1978.

Doch knapp 50 Längen nach dem Start brach Barbaros rechtes Hinterbein, zersplitterte in 20 Trümmer. Die meisten Rennpferde wären wohl noch auf der Bahn eingeschläfert worden. Für Barbaro war es der Beginn einer zweiten Karriere: als Medienstar und, vielleicht, als Zuchthengst. Tagelang beherrschte der Patient die Titelseiten der Zeitungen. Im Fernsehen gehörte das Krankenbulletin zu den Topnews. Tausende warteten vor dem New Bolton Center, der Spezialklinik der Universität von Pennsylvania, mit Rosensträußen, Karotten, Äpfeln und Postern mit Genesungswünschen auf Neuigkeiten, viele weinten.

Pferdelaien konnten nun zu Experten für Röntgenaufnahmen, die Behandlung von Splitterbrüchen – „27 Schrauben in drei Knochen“ – und die Physik der Fortpflanzung werden. Grafiken illustrierten, welche Kräfte beim Besteigen einer Stute auf den Hinterbeinen eines gut 500 Kilogramm schweren Hengstes lasten. Die komplizierten und kostspieligen Operationen wurden zunächst als rührender Liebesbeweis der Eigentümer verkauft. Es ging auch um Millionen, das ließen die eingestreuten Spekulationen ahnen. Von 40 000 bis 100 000 Dollar pro Fohlen aus Barbaros Vaterschaft war die Rede und bis zu 15 Fortpflanzungsjahren mit 60 Fohlen pro Jahr. „Er hat die ganze magische Aura. Und er ist ein Sieger“, schwärmten die Züchter. Er habe „ein glückliches Leben vor sich“.

Nun ist Barbaro doch noch eingeschläfert worden, nach acht langen Monaten mit Genesungsphasen und Rückfällen, mit wenigen Tagen auf der Wiese und vielen in Spezialhalterungen, mit Entzündungen der anderen Beine, die die Gewichtsverlagerung weg vom verletzten Hinterhuf nicht verkrafteten. „Wir hätten es niemals ertragen können, ihn leiden zu sehen“, beteuern die Eigentümer. Und: „Wir sind so dankbar, dass wir ein Ausnahmepferd wie ihn bei uns haben durften.“ 1,2 Millionen haben Fans für den „Barbaro Fund“ gespendet, das New Bolton Center bekam 13,5 Millionen vom Staat Pennsylvania. „Wir haben viel gelernt“, sagen die Ärzte. „Das nächste Pferd können wir besser behandeln.“

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