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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (31): Das Dorf Europa

In Schengen wurde europäische Geschichte geschrieben. Hier legt unser Kolumnist Helmut Schümann auf seiner Wanderung rund um Deutschland einen Stopp ein - und wundert sich, über den ganz unprätentiösen Umgang des Ortes mit seiner Bedeutung.

Ob die Welt weiß, was Schengen ist? Weiß sie, wo Schengen ist und wie? Wenn man Deutschland umwandert und dabei durch die Länder unserer Nachbarn streift, kommt man an Schengen wohl nicht vorbei. Schengen, der Ort, an dem 1985 und 1990 diese grenzenlosen Grenzgänge überhaupt erst möglich gemacht wurden. Ein historischer Ort also. Ich kam von Thionville hoch, weil in Schengen (Luxemburg), in Sierck-les-Bains (Frankreich) und in Perl (Deutschland) in diesem Dreiländereck alles ausgebucht war am Vorabend. Und als ich in Schengen einlief, stand ein älterer Mann am Straßenrand. Ich fragte ihn nach Schengens Zentrum, centre ville, er lachte und sagte, dass ich im Zentrum stehe. Es gibt dort ein kleines Café, eine kleine Straße und eine größere Straße, die als Hauptstraße ausgewiesen ist und eine Rechtskurve macht. „Schengen ist ein kleines Dorf“, sagte der Mann. „Aber ein berühmtes“, sagte ich, „hier wurde Geschichte gemacht.“ „Davon sieht man nicht viel“, sagte er.

Immerhin gibt ein Schild hinter der Rechtskurve den Weg an zum Europamuseum. Schengen hat 4223 Einwohner, aber an diesem Tag sah Schengen so aus, als seien alle Teilnehmer und Besucher mitgezählt worden, die damals bei den Vertragsunterzeichnungen zugegen waren. Ein paar Spuren haben sie dann doch hinterlassen, unten an der Mosel, am Anlegesteg der „MA Marie Astrid“, auf der seinerzeit die bedeutsamen Unterschriften geleistet wurden. Daran erinnert eine Gedenktafel, vor der kundige und akkurate Gärtner das europäische „E“ in eine Hecke geschnitten haben.

In der Nähe des Museums steht noch ein Zeichen Europas, des vereinten Europas, ein sehr schönes Zeichen aus deutscher Sicht, ein Mauerstück, man kann es vom Museumscafé aus gut sehen. Ich fragte die Bedienung im Café, ob das ein Originalstück sei. „Mauerstück? Ach so, das da, ist das aus der Berliner Mauer? Keine Ahnung“, sagte der junge Mann. Es ist ein Originalteil. Möglicherweise muss man schon etwas älter sein, so wie der Wanderer, damit sich spektakuläre Orte und spektakuläre Geschichte der Vergangenheit auch erschließen. Schengen, das luxemburgische Dorf an der Mosel, ist ein schöner Ort.

Helmut Schümann umrundet derzeit Deutschland – manchmal mit dem Bus, manchmal im Regionalzug, aber meistens zu Fuß.

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