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Wie steht's um uns Deutsche in Europa? Helmut Schümann umrundet unser Land mit dem Rucksack auf dem Rücken.

© privat

Deutschland drumherum (33): Konz musste sein

Etwa 1100 gelaufene Kilometer hat Helmut Schümann auf seiner Deutschland-Umwanderung bereits hinter sich gebracht. Der Rucksack wird immer schwerer - obwohl immer weniger drin ist.

In Konz gibt es einen Italiener. Konz liegt in Deutschland, in Rheinland-Pfalz, nahe Trier, an der Mosel und der Saar. Konz hat eine chice Boutique, die heißt „Mikado“, in der der Besitzer oder ein Angestellter sechsmal, und das ist die Wahrheit, gegenüber des Italieners nach Feierabend die Auslage ausfegt. Er fegt dabei sehr sorgfältig um die Schaufensterpuppen herum, es sind schon skurrile Szenen zu sehen auf so einer Wanderung. Ansonsten habe ich in Konz die Beethoven Galerie im Regen gesehen, konnte aber nicht ermitteln, warum diese Einkaufspassage nach Beethoven benannt wurde, bin aber sicher, dass Ludwig, wenn er denn von dieser Galerie wüsste, sich nicht nur im Grab umdrehen würde, er würde rotieren. Ansonsten hat Konz drei Bahnhöfe. Konz ist so groß wie in Berlin der Kiez zwischen Olivaer Platz und Stuttgarter Platz. Der eine Bahnhof ist der Hauptbahnhof, der andere Bahnhof heißt Konz Mitte, der dritte Kreuz Konz oder auch Konz Kreuz. Und Konz hat eben diesen Italiener.

Konz musste sein, weil Wasserbillig nach Schengen ebenfalls ausgebucht war. Der Italiener musste sein, weil ich kein Cordon Bleu mehr sehen kann. Die Lokalitäten der Grenzgebiete, aller Grenzgebiete zwischen Deutschland und Europa halten Cordon Bleu für die Krönung des kulinarischen Genusses. Ich hatte Cordon Bleu in Polen, das hieß es nur anders, in Tschechien, da auch, in Österreich, da hieß es nicht anders, in der Schweiz hätte ich es auch haben können, da stand aber noch etwas anderes auf der Karte, das hat mich ein Vermögen gekostet.

In Frankreich, wo sie wahrlich mehr vom Essen verstehen, was stand da an oberster Stelle auf der Speisekarte? Die Alternative: Schnitzel nach Wiener Art, oder auch Schnitzel nach Wiener Art mit Käse und Schinken überbacken. Dazu werden Pommes gereicht. Oder Kartoffeln, Rosmarinkartoffeln. Ich will keine Pommes. Und Rosmarinkartoffeln, die Bratkartoffeln sind, denen ein Rosmarinzweig gezeigt wurde, manchmal auch nur auf dem Foto, kann ich auch nicht mehr sehen.

Deswegen der Italiener. Der hatte Saltimbocca alla Romana auf der Karte. Ich kenne Saltimbocca alla Romana, kleine Kalbsschnitzelchen mit einer Scheibe Schinken drauf, dazu etwas Salbei, der Bratenfond abgelöscht mit ein wenig Weißwein, das kann sehr gut schmecken. Ich bestellte in Konz beim Italiener, der sich draußen an der Schautafel anpreist als Restaurant mit dem besonderen Flair, Saltimbocca alla Romana.

Es kamen zwei ziemliche Brocken von irgendetwas. Sie schwammen in einer Sauce, in der möglicherweise auch Wein war, ganz sicher aber Verdickungsmittel. Was für Fleisch das war, war nicht zu erkennen, es war zugedeckt mit einer dicken Scheibe Käse, der stellte sich als Schmelzkäse heraus, bestreut mit ein paar Spänen Parmesan und ein paar grünen Einsprengsel, mit großer Wahrscheinlichkeit war das Estragon. Zwischen Käseschicht und dem Möglicherweise-Fleisch war Schinken gelagert, gekochter Schinken, die blaue Kordel, die das ganze zumindest symbolisch zum Cordon Bleu gemacht hätte fehlte aber. Cordon Bleu stand gesondert auf der Karte beim Italiener in Konz. „Doch“, sagte der Koch, ein Italiener, auf meine Nachfrage, ob das Gericht vielleicht für den Nebentisch sei, ich aber hätte etwas anders bestellt, „doch, doch, das ist Salbei, sogar aus dem eigenen Garten, so machen wir hier in Konz Saltimbocca alla Romana.“

Konz hat, wie gesagt, noch mehr zu bieten. Drei Bahnhöfe. Am nächsten Morgen wollte ich zurück ins Ausland, nicht nach Italien, aber rüber über die Mosel nach Luxemburg. Ich ging zum Hauptbahnhof, der ist in Konz in Rufnähe des Italieners. Von dort aber fahren Züge nur zurück nach Perl gegenüber Schengen oder in die andere Richtung nach Trier. In Konz Mitte, was auch nicht weit weg ist von Konz Hbf, fahren die Züge nach Konz Hbf oder nach Oberbillig, nicht aber nach Wasserbillig. Immerhin war dort zu lesen, dass Wasserbillig von Konz Kreuz oder auch Kreuz Konz zu erreichen ist.

Wo ist Konz Kreuz?

Ich fragte Passanten, die um diese frühe Uhrzeit rar sind in Konz. „Ja, da hinten rechts, ist leicht“, sagte eine Frau. Da hinten rechts stand ich an der Autobahn über die Mosel. Ich hatte vergessen, der Frau zu sagen, dass ich mit der S-Bahn fahren oder zu Fuß gehen will, nicht aber zu Fuß über die Autobahn. Ich ging zurück zu Konz Mitte. „Aber, da sind sie ja nun völlig verkehrt“, sagte eine Frau in der Bäckerei, in der es einen wunderbaren Fleischkäse im Brötchen gab, ich liebe Fleischkäse im Brötchen, auch zur frühen Morgenstunde. Ich lief, den Fleischkäse in der Hand, den beschriebenen Weg, am Ende stand ich vor Konz Hbf. Eine Kindergärtnerin mit vielleicht fünfzehn Schützlingen stand in Konz Hbf und erklärte den Kleinen, wie so ein Fahrplan funktioniert. Wie ich denn nach Konz Kreuz komme, fragte ich sie, oder Kreuz Konz. „Mhm“, sagte sie, „das ist leicht, Konz ist ja  klein, da müssen Sie einfach von hier da rüber gehen, und dann fragen Sie noch mal.“

Ich beschloss, den nächsten Konzer, der mir über den Weg läuft, nieder zu schlagen. Zum Glück kam keiner mehr.

Und ich fand Kronz Kreuz, Kreuz Konz. Ein Pfad führt zu dem Bahnsteig. Kurz vor dem Pfad sagte ein alter Mann, der mit dem Rollator daher kam, dass ich für für Konz Kreuz zurück müsse, erst nach Konz Hbf, von dort über die Schillerstraße, „und dann fragen Sie noch mal“. Eigentlich wäre er fällig gewesen. Ich dankte und ging den Pfad hoch.

Noch auf dem Pfad sah ich, wie gerade ein Zug abfuhr. Immerhin hing oben auf dem Bahnsteig ein Fahrplan. Der nächste Zug nach Wasserbillig über die Mosel sollte um 9:03 kommen. Es war 8:14 Uhr. Man soll nie nie sagen. Und vielleicht umwandere ich Deutschland noch ein zweites Mal. Aber dann bleibe ich draußen. Und Konz möchte ich nie, nie wieder sehen. 

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