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Panorama: Die Evangelische Landeskirche in Baden wirbt mit einer professionellen Kampagne um neue Mitglieder

"Turnschuhe finden nicht von selbst auf den richtigen Weg" prangt es von einer Werbefläche auf dem Freiburger Hauptbahnhof. Doch hier wirbt nicht die Bahn um neue Kunden.

"Turnschuhe finden nicht von selbst auf den richtigen Weg" prangt es von einer Werbefläche auf dem Freiburger Hauptbahnhof. Doch hier wirbt nicht die Bahn um neue Kunden. Die Plakat-Aktion ist Teil einer Werbekampagne, mit der sich die Evangelische Landeskirche in Baden seit dem Ende November um neue Mitglieder bemüht. Aufrufe in Gemeindebriefen, Anzeigen und eine Hotline sollen Interessierten den Weg zurück zur Kirche weisen. Zwar ist die Zahl der Austritte in der Landeskirche seit mehreren Jahren rückläufig. Dennoch hat sich der Oberkirchenrat unter Leitung von Landesbischof Ulrich Fischer entschieden, in die Offensive zu gehen.

Kernstück dieser Missionsstrategie sind die so genannten "Kircheneintrittstellen". Ein Wort, das Pfarrer Wolfgang Kammerer von der Christuskirche in Freiburg etwas misslich findet. Es erinnere ihn zu sehr an "Fahrzeugzulassungsstellen". Von der Sache selbst ist er aber überzeugt. Im Wechsel mit anderen Pfarrern, Vikaren und Gemeindemitglieder steht er in einem Bücher- und Schallplattengeschäft in der Freiburger Innenstadt interessierten Leuten Rede und Antwort. "Wir werden auch schon mal gefragt, wo es hier CDs gibt", meint er. "Doch auch das ist eine Möglichkeit ins Gespräch zu kommen." Mehr als 400 Personen haben dieses Angebot bislang wahrgenommen, schätzt er. Bis zum Donnerstag hätten sich seit Kampagnen-Start 100 Leute in Freiburg entschieden, in die Kirche einzutreten. Es seien allerdings alles ehemalige Mitglieder gewesen, die eine Rückkehr schon länger in Erwägung gezogen hätten, so Kammerer.

Die Gründe für den einstigen Austritt sind vielfältig. "Einer der Rückkehrer trat sogar wegen des Papstes aus, obwohl dieser ja katholisch ist", meint der Pfarrer schmunzelnd. Andere hatten der Kirche wegen politischer Differenzen oder einfach aus Krach mit dem Gemeindepfarrer den Rücken gekehrt. Mit fortschreitendem Alter würden sie ihre Entscheidung wieder überdenken. Der Eintritt soll durch das "niedrigschwellige Angebot" vereinfacht werden. Die Aufnahme wurde bisher mit einem öffentlichen Bekenntnis in einem Gottesdienst gefeiert. Das vereinfachte Verfahren, das in der Landeskirche auch auf Kritik stieß, soll die Hürde herabsetzen. Statt "Pomp gibt es dann nur einen Händedruck vom Pfarrer", meint Kammerer.

Ein "Eintritt light", bei dem man nur ein Formular unterschreiben muss, wie dies bei einem ähnlichen Projekt in Berlin geschehen sei, wolle man aber nicht, meint Oberkirchenrat Michael Trensky. In der Bundeshauptstadt wurde 1998 eine Kircheneintrittstelle eingerichtet, bei der sich in einem Jahr rund 2500 Menschen für eine Mitgliedschaft in der Kirche entschieden. "Wer eintritt, wird einer Kirchengemeinde zugewiesen; außerdem werden die Interessenten vorher über die Bedeutung einer Kirchenzugehörigkeit aufgeklärt", erläutert Trensky. Insgesamt seien bis zur Halbzeit der Kampagne in Baden "zwischen 50 und 100" Personen eingetreten.

Für den Oberkirchenrat und Bildungsbeauftragten in der Landeskirche ist das Pilotprojekt eine Möglichkeit, randständige Menschen zu erreichen. Er sitzt wie seine Amtskollegen an der sogenannten Hotline, um über das Angebot der Kirche aufzuklären. Bislang sei das Vorhaben überwiegend auf positives Echo gestoßen, so Trensky. Anhand der Anfragen solle nicht zuletzt ermittelt werden, "wo der Schuh drückt", um so Defizite in der bisherigen Verkündigung zu beheben. Gleichzeitig hofft man, dass die Aktion für jene "stabilisierend" wirkt, die nicht zum Kernbereich der aktiven Kirchenmitglieder gehören.

Rund 500 000 Mark lässt sich die Landeskirche die einmonatige Kampagne kosten, die von professionellen Werbestrategen unterstützt wird. An eine Amortisierung durch neue Kirchensteuereinnahmen sei nicht zu denken, meint Trensky, auch wenn "gegen neue Finanzmittel nichts einzuwenden ist". Von katholischer Seite verfolge man das Projekt mit "aufmerksamen Interesse", so der Freiburger Domkapitular Hermann Ritter. An ein ähnliches Vorhaben sei aber bisher nicht gedacht. Auch in der badischen Landeskirche will man zunächst die Ergebnisse auswerten. Erst dann werde über eine Wiederholung entschieden, erklärt Trensky.

Die Idee seitens der Kirche eine Werbe-Kampagne zu starten ist nicht neu. Anfang November machte die Reinickendorfer Kirchengemeinde in Berlin mit frechen Kampagnen-Motiven von sich reden: Da war ein ängstlich in einem Kleiderschrank hockender Mann plakatiert mit dem Hinweis auf die kirchliche Eheberatung. Ein Liebespärchen hingegen sollte die Schwangerschaftsberatung der Kirchengemeinde bewerben. Und zeitgleich startete denn auch die Evangelische Kirche Deutschland bundesweit eine pfiffige Kampagne gegen Sonntagsarbeit: mit Pressluftbohrer und der ironischen Werbezeile "Sonntagskonzert".

Christoph Scholz

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