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Panorama: Die härteste Frau der Welt

Chinas mächtigste Politikerin übernimmt den Kampf gegen Sars

Sie gilt als „Eiserne Lady“. Sie ist die mächtigste Frau Chinas. Wenn sie lächelt, wird es ernst. Wu Yi ist die Stellvertreterin des chinesischen Ministerpräsidenten und hat am Wochenende das Gesundheitsministerium übernommen, um den Kampf gegen Sars zu koordinieren. Ihr Vorgänger wurde aus dem Amt entfernt, nachdem die Versäumnisse in der Sars-Bekämpfung offensichtlich wurden.

Jetzt steht Wu Yi im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Dass die 65-jährige Politikerin als hart gilt, muss kein gutes Zeichen sein. Diesen Ruf hat sie erworben, als sie von 1993 bis 1997 als Ministerin für Außenhandel und außenwirtschaftliche Zusammenarbeit außerordentliche Härte bei den Verhandlungen mit dem Westen demonstriert und westliche Politiker tief beeindruckt hatte. Heißt dies, dass sie auch die internationale Kritik an Chinas ungenügender Sars-Politik hart zurückweisen wird? Doch die Frage lautet derzeit eher anders: Kann sie Härte im Kampf gegen Sars zeigen? Jüngste Berichte über hartes Durchgreifen und den Bau von Massenlagern täuschen darüber hinweg, dass das chinesische politische System ihr die Hände bindet.

Geboren im November 1938 in Wuhan schlug Wu Yi früh den Weg zur Ingenieurwissenschaft ein. Sie studierte in den 60er Jahren Raffinerietechnologie. Jahrzehntelang sammelte die Frau Erfahrungen mit Industrie, Technik und Partei, bis sie Anfang der 90er Jahre kometenhaft in die Führungsschicht des Außenhandels wechselte. Wus Verhandlungshärte und Neigung zur technischen Präzision verhalfen ihr zu dem Ruf, sachlich kompetent, entschlossen und imstande zu sein, gnadenlos durchzugreifen. Berühmt ist sie dagegen kaum für Integrationsfähigkeit und Fingerspitzengefühl, was durch die panische Stimmung wegen Sars eigentlich angebracht wäre.

Zu ihren Schwächen zählen: Sie besitzt keine ausreichenden Erfahrungen, mit Chinas trickreichen Provinzfürsten umzugehen. Allein in der Provinz Guangdong, wo die Verbreitung von Sars ihren Anfang nahm, konnte die dortige Provinzführung die wahre Situation der Seuche wochenlang verheimlichen. Und sie besitzt keinerlei Erfahrungen mit Finanzen und Haushalt, die Not tun, da ohne das geschicktes Manövrieren eines Finanzjongleurs Chinas ohnehin schwer angeschlagenes Versicherungswesen kaum noch Rückschläge durch Sars überleben könnte. Haushaltrechtlich sind ihr die Hände gebunden, da nach chinesischer Verfassung die von Sars immer mehr betroffenen Provinzen weder Schulden machen noch Defizite aufweisen dürfen. Einen Nachtragshaushalt darf allein der Volkskongress beschließen. Dieser tagt, ohne den Segen der KP, regulär allerdings erst im nächsten Jahr.

Ob Wu Yi, die Hoffnungsträgerin der chinesischen Gesundheitspolitik, diese Hürden überwinden kann, hängt nicht zuletzt davon ab, wie stark ihre Rückendeckung in der höchsten Führungsriege ist. Sie pflegt gute Kontate zum Ex-Staatspräsidenten Jiang Zemin, der jetzt die Militärs erfolgreich unter seiner Kontrolle hat. Und gute Beziehungen zu dessen Gegner Zhu Rongji, dem ehemaligen Premier, der den Ruf als „Wirtschaftszar" genoss – im Westen wenigstens.

Shi Ming[Peking]

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