zum Hauptinhalt

Panorama: Die Königin der fetten Reime

Missy Elliott, 35, ist eine der Erfolgreichsten im Musikgeschäft. Jetzt kommt sie nach Berlin

Ihr Yorkshireterrier trägt ein Hunde- T-Shirt für 1500 Dollar. Mit Brillanten ist es verziert, und darauf steht: „Ich hasse Tinkerbell. Diese Schlampe hat alles.“ Missy Elliott ist die Besitzerin des Hündchens, und der Spruch ging an Paris Hilton und ihre Chihuahua-Hündin Tinkerbell. Die schleppte die Hotelierstochter wie Handy und Puderdöschen eine Saison lang mit sich herum. Modepüppchen, die passen prima ins Feindbild der derzeit erfolgreichsten Rapperin, Produzentin, Labelchefin und Modeschöpferin Missy Elliott: Keine ist so abgefahren, eigensinnig, experimentell und funky wie die 35-Jährige. Die Fans wissen das, und sie stehen Schlange für die ersten drei Live-Konzerte in Deutschland ab heute Abend.

Die Locations wirken zunächst so ungewöhnlich wie die Musik, doch sie gewählt wurden sie aus gutem Grund. Am 29. September tritt sie in einem Ort namens Schüttorf auf, und zwar in der Riesendiskothek „Index“. Das ist nach Auskunft der Tourneeveranstalter Streetlife Entertainment in Berlin einer der angesagtesten Clubs für schwarze Musik überhaupt, 130 Kilometer nördlich von Essen. Am ersten Oktober halten drei „Nightliner“-Doppeldecker-Tourbusse nahe der Großhalle „Jako Arena“ für fast 10 000 Zuschauer in Bamberg. Für die US-Soldaten dort gibt es ein „Meet and Greet“-Treffen. Dass Missy am Sonnabend in die Treptower Arena nach Berlin kommt, haben die Fans dem Tourveranstalter zufolge dem Radiosender Kiss FM zu verdanken, der sich starkgemacht hat für die Show in der Hauptstadt. Die Aftershowparty mit Missy und Crew findet im Club 90 Grad an der Dennewitzstraße in Kreuzberg statt (Konzert etwa 40 Euro, Clubeintritt 10 Euro).

Auf der Bühne präsentiert sie zuvor die neue Best-of-CD „Respect M. E.“ – mit 17 Hits aus allen sechs Studioalben, wie die Singles „Get Ur Freak On“, „Work It“, „All N My Grill“, „Pass That Dutch“ und „Lose Control“. Respekt, den hat sich die in ihrer Sparte erfolgreichste, mehrfach mit Musikpreisen wie dem Grammy ausgezeichnete Künstlerin wahrlich verdient.

„Ich wurde nicht dazu geboren, Superstar zu sein“, sagte sie einmal. Warum, das erklärt sich beim Reinhören ins Album von 2005, „The Cookbook“: Da erzählt sie, dass einst ihr Vater die Mutter missbrauchte. Sonst hält sie sich privat zurück. Melissa Arnette Elliott kommt aus Virginia, wächst in Portsmouth auf, träumt schon als Kind von Karriere, startet mit der Gruppe „Sista“ mit Mädels aus der Nachbarschaft. Dann katapultiert sich Missy in ganz andere Höhen: 1997 gelingt der Durchbruch mit der CD „Supa Dupa Fly“, produziert vonFreund und Kollege Timothy „Timbaland“ Mosley. 2001 laufen „Get Ur Freak On“ und „One Minute Man“ auf den Tanzflächen von Grönland bis Australien. Dabei konterkariert die kräftige Sängerin das Erscheinungsbild gewöhnlich gefälliger Hip-Hop-Miezen.

Missys Musik ist fett, wie Rapper das so sagen, und sie selbst sprengt optisch ebenfalls den Rahmen. Als sie 2004 aus gesundheitlichen Gründen zumindest auf der Waage an Gewicht verliert, nehmen ihr das die Fans übel. „Wenn du eine von den Dicken bist, zieh deine Klamotten wieder an, bevor du Schlaglöcher in meinen Rasen machst“, singt sie in „Pass the Dutch“. Sie habe das nur auf Kleidung, nicht auf den Körperumfang bezogen, erklärt sich die First Lady des Rap vor Kritikerinnen.

Doch der Sängerin gelingt der nächste Coup. Sie zieht den Sportartikelhersteller Adidas als Geschäftspartner für eine eigene sportliche Streetwear- Kollektion mit auf die Bühne. Im Internet bestellen die Fans „Missy Girl Tanktops“, „Missy Winterboot“, „Missy-Snow-Westen“. Manche werfen ihr jetzt vor, sie sei eine wandelnde Litfaßsäule. Doch die Frau weiß sich zu vermarkten, und sie weiß, was ihr die weiblichen Fans zu verdanken haben: Sie verschaffte auch Frauen Anerkennung, die sich nicht stromlinienförmig durchs Business schlängeln. Jetzt soll ihr sogar ein Kinofilm gewidmet werden.

Missy komponiert und produziert Janet Jackson und Whitney Houston in die Charts, macht Sängerin Tweet zum R&B-Star, produziert „Car Wash“ für Christina Aguilera und rappt „Into The Hollywood Groove“ mit Madonna; kümmert sich um Sängerin Aaliyah. Deren Tod bei einem Flugzeugabsturz zog Ziehmutter Missy Elliott seelisch in die Tiefe. Die Arbeit baut sie wieder auf. Sie tüftelt weiter am Old-School-Sound im neuen Styling. Das klingt dann so bei der bislang erfolgreichsten Single „Work It“: Elefantengetöse, Gesänge rückwärts, knisternde Sinnlichkeit, treibende Dancerhythmen. Missy eben.

Annette Kögel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false