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Panorama: Die letzten Gäste verlassen das „Moskwa“ Das alte Hotel soll abgerissen

und wieder aufgebaut werden

Schwere Eichentüren des Hotels Moskwa gehen auf. Frauen mit voll gepackten Einkaufstaschen treten ins Freie. Empfangsdamen und Dientsmädchen verlassen den gewohnten Arbeitsort auf Nimmerwiedersehen. Die letzten sechs Gäste sind gestern ausgezogen. Der Abbau soll schon im August beginnen. Der Moskauer Oberbürgermeister Juri Luschkow ließ den Termin von Mitte September vorziehen, ehe Denkmalsschützer aus dem Urlaub zurückkommen.

Mit dem Kulturminister Michail Schwydkoi, der auf einer Restaurierung bestand, hat er sich auf einen Kompromiss geeinigt. Das Moskwa soll nach dem Abriß und Wiederaufbau so wie heute aussehen.

Es ist ein fauler Kompromiß. Zwar bleibt die von der Abbildung auf der Stolitschnaja-Wodkaflasche bekannte asymmetrische Fassade erhalten. Innen wird aber ein „Euroremont", wie die Einheitsrenovierung im neurussischen Slang genannt wird, es in ein europäisches Durchschnittshotel verwandeln. Unter dem Moskwa wird es einen unterirdischen Parkplatz geben, von dem man in die U-Bahn und in die ebenfalls unterirdische Einkaufspassage am Manegeplatz gelangen kann. Der Innenhof wird mit Glas überdacht.Neue, teure Zimmer mit Blick auf den Kreml soll es geben. Jetzt verlaufen die Gänge dort, nach Luschkows Meinung ein „Unding“. Der Hauptarchitekt Alexej Schussjew wollte 1935 ursprünglich einen klassizistischen Riesenbau hinsetzen, sah aber ein, dass dieser das Bolschoitheater und das Hotel Metropol unzulässig unterdrücken würde. Jetzt sollte der „Originalplan" nachgezogen werden. Minister Schwydkoi konnte die monströse Vergrößerung gerade verhindern. Zwei revolutionäre Architekten hatten den Bau 1932 geplant, ihr Konstruktivismus war aber unter Stalin out, und Schussjew überarbeitete das Projekt. Als Echo dieser Kontroverse blieb jene Fassade von der Wodkaflasche, deren linker Flügel sich augenfällig von dem rechten unterscheidet. Einer Anekdote zufolge soll Stalin beide Versionen aus Versehen bestätigt haben, und Schussjew wagte keinen Widerrede.

Alles, selbst die Türklinken wurden in Handarbeit angefertigt. Luschkow verspricht, besonders wertvolle Stücke wie das Deckengemälde in der Hotelhalle oder die Treppen aus Marmor, den man der zerstörten Erlöserkathedrale entnommen hatte, wieder zu verwerten. Doch niemand glaubt es wirklich. Der Geist jener Zeit werde verschwinden, warnte der Chefexperte des Kulturministeriums, Alexej Kometsch. Wird man etwa die Abhöranlagen in einem Dutzend Zimmer, die dem KGB als Dauermieter gehörten, wieder einbauen?

Alexej Dubatow[Moskau]

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