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Panorama: Die Liste der 7300 Namen

Skandal um Kinderpornos – Pete Townshend festgenommen

The-Who-Sänger Roger Daltrey gehörte zu der illustren Reihe gealterter Rocker, die gestern dem 57-jährigen Gitarrenstar der Who, Pete Townshend, zu Hilfe eilten. Seit der am Samstag zugab, mit Kreditkarte für Kinderpornographie im Internet bezahlt zu haben, macht die Rocklegende Schlagzeilen wie seit Jahren nicht mehr. Am Montagabend wurde der Musiker von der Polizei festgenommen. Er habe nicht nur pornografische Bilder von Kindern besessen und produziert, sondern auch die „Verbreitung“ von Kinderpornographie veranlasst, wirft ihm Scotland Yard vor. Nicht nur Townshends Karriere, auch seine Reputation steht auf dem Spiel.

Einst war er einer der großen Wilden der Rockmusik. Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes in den 70er Jahren wurde er gelegentlich bewusstlos auf Londoner Müllkippen gefunden. Erst in den 80er Jahren bekam er seine Alkohol- und Drogensucht in den Griff. Heute lebt der Familienvater ein stilles Leben in seinem 20 Millionen Euro teuren Haus in Richmond und führt in der Nachbarschaft gelegentlich seinen Hund Gassi. Townshends Sündenfall wurde mehr Platz in den Medien eingeräumt als dem Tod von Maurice Gibb von den Bee Gees. Townshend ist der bislang spektakulärste Fall des Internet-Porno-Skandals, der die britische Gesellschaft erschüttert.

Und neue Namen werden folgen. Auch zwei bislang namenlose Labourabgeordnete, ehemalige Minister, sollen die Pornosite besucht haben. Die englische Polizei ist im Besitz der Namen von 7300 Briten, die für das Portal des Texaners Thomas Reedy ihre Kreditkarte zückten. Als sein Internet-Sex- Imperium aufflog, wurden 250 000 Namen aus aller Welt sichergestellt. Eine tickende Zeitbombe, die nun in Großbritannien Internetnutzer aus allen Schichten der Gesellschaft bedroht. „Ist Großbritannien mit Pädophilenmaterial auf eine Weise überschwemmt, von der wir bisher keine Ahnung hatten?", fragte der „Guardian“ und antwortete: „Wahrscheinlich“. Die „Operation Ore“ der britischen Polizei stellte Hunderte von Computer und Festplatten sicher und verhaftete bislang 1300 Personen – ausnahmslos Männer, fast alle bisher unbescholten. Zuerst kamen die Sozialarbeiter, Angestellte von Kinderheimen, Lehrer und Ärzte. Dann Autoritätspersonen wie Richter und 50 Polizisten. In jedem einzelnen Fall muss die Computeranalyse Beweise erbringen. Auf der Liste standen unter anderem zwei Polizisten, die bei der Aufklärung des Doppelmords an Kindern in Soham im August die Eltern der Mädchen trösteten. Einer las, nur Tage vor seiner Entdeckung, den Psalm im landesweit übertragenen Gedenkgottesdienst für die beiden 12-jährigen Mädchen in der Kathedrale von Ely.

Zuerst die Lehrer

Townshend sagt nun, er sei dumm gewesen, habe aber keine bösen Absichten gehabt. „Die Bullen sollen kommen und mich aufgreifen. Ich bin kein Pädophiler“, drohte er vor seiner Festnahme. „Sie können gern meine Computerfestplatte analysieren. Es ist wichtig, dass die Polizei sich davon überzeugen kann, dass ich nichts Illegales getan habe. Es war nur für Studienzwecke“, beteuerte er der „Sun", die am Montag drei volle Seiten über den Skandal druckte.

Bob Geldof, Bono, David Bowie – alle scharen sich nun um den Who-Star. Nachbarin Jerry Hall, Ex-Gattin von Mick Jagger, sagte, „Kindermissbrauch ist das Letzte, was zu Pete Townshend passen würde.“ Townshend will Material für seine Autobiographie gesammelt haben. Er selbst, habe eine Psychoanalyse ergeben, sei als Sechsjähriger wohl ein Opfer von sexuellem Missbrauch geworden. Er habe geplant, eine Initiative gegen Kinderpornographie zu starten und sogar mit einer Polizistin darüber gesprochen.

Jetzt die Prominenz

Doch die Anti-Pornographie-Organisation „Internet Watch Foundation“ häuft Hohn und Spott auf diese Entschuldigung. „Wenn man Kindern helfen will, bezahlt man nicht Geld für eine Kinderporno-Site." Das Betrachten und Herunterladen von Kinderpornographie ist in Großbritannien gesetzlich verboten. „Es gibt keine gesetzliche Ausnahme für Forschungszwecke", kommentierte der Vorsitzende der Organisation, Roger Darlington.

„Operation Ore“ beschäftigt die Justiz und die Öffentlichkeit, seit die amerikanische Polizei die Kreditkartennummern der Subskribenten von Thomas Reedys Porno-Portal entschlüsselte. Benutzer hatten 35 Dollar im Monat für den Besuch von Reedys Porno-Seiten bezahlt. Dem Texaner brachte das einen Umsatz von über einer Million Dollar im Monat ein – bis er im letzten Jahr zu außergewöhnlichen 1335 Jahren Haft verurteilt wurde. Das FBI gab die Namenslisten im Frühjahr 2002 an die britische Polizei weiter – seither ist Townshends Name der Polizei bekannt. Erst jetzt aber hat ein Insider den Tipp an eine Zeitung weitergegeben.

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