zum Hauptinhalt

Panorama: Die neuen Waffen der Frauen

Vincenzo delle Donne, Avellino Ein Attentat wie im Film: Im kampanischen Lauro di Nola, wo die berüchtigte Camorra alten Stils allgegenwärtig ist, dämmerte es. Es war 20 Uhr 30.

Vincenzo delle Donne, Avellino

Ein Attentat wie im Film: Im kampanischen Lauro di Nola, wo die berüchtigte Camorra alten Stils allgegenwärtig ist, dämmerte es. Es war 20 Uhr 30. Der Audi mit den fünf Frauen an Bord fuhr an diesem Sonntagabend langsam die enge lange Straße entlang, als wollten die Insassen ihre diskrete Präsenz anzeigen. Ein Alfa 147 überholte plötzlich den Audi und rammte ihn.

Ein anderer Wagen versperrte ihm den Weg. Ein mit einer Kalaschnikow bewaffneter Mann und Frauen mit schwerkalibrigen Pistolen stürzten aus den Autos und feuerten dann wie wild auf die Insassen des Audis. In diesem Feuerinferno waren drei Frauen (die 16-jährige Tochter, die 51-jährige Schwester sowie die Schwägerin des örtlichen Camorra-Bosses Biagio Cava) sofort tot oder starben auf dem Weg ins Krankenhaus. Zwei weitere Frauen wurden schwer verletzt. Die fünf Frauen des Cava-Clans hatten keine Chance zu entkommen.

Das Attentat war bis ins kleinste Detail geplant – gewissermaßen von Frau zu Frau. „Wir haben sie alle ausgelöscht“, jubelten die Täterinnen kurze Zeit später am Telefon. Sie gehörten dem rivalisierenden Clan der Grazianos an.

Der Auslöser des Attentats war, wie die Polizei herausgefunden hat, ein nichtiger Streit der Frauen beider Clans. Auf einer Piazza des Ortes war es zu gegenseitigen wüsten Beschimpfungen und zu Handgreiflichkeiten zwischen den Frauen des Cava- und Graziano-Clans gekommen. Dabei hatten die Grazianos den Kürzeren gezogen. Diese „Schmach“ konnte nach dem alten Ehrenkodex der Männer nur durch eine „Strafmaßnahme“ gesühnt werden.

Niemand wollte später etwas gesehen haben. „Hier herrscht die omertà (das Gesetz des Schweigens)“, sagte der Generalstaatsanwalt von Neapel, Agostino Cordova bedeutungsvoll, „wir haben keinerlei Hinweise von Augenzeugen.

„Seit geraumer Zeit wurden die Frauen observiert, doch kein Polizist war offenbar in der Lage einzugreifen. Deshalb äußerte Cordova indirekt den Verdacht: „Am Tatort war sicherlich jemand, der hätte eingreifen können, aber er hat es nicht getan.“ Frauen schlüpfen im organisierten Verbrechen immer mehr in die Rolle des Clan-Oberhauptes, die ihre Männer nicht mehr ausfüllen können, weil sie im Gefängnis sitzen. Das Machtvakuum bei sizilianischer Mafia, neapolitanischer Camorra und kalabresischer Ndrangheta, das durch die Verhaftung der Bosse entstanden ist, wird so zunehmend von ihren Frauen ausgefüllt. Sie sind es, die die Kommandolinie zwischen ihren im Gefängnis einsitzenden Männern und der Organisation gewährleisten.

Frauen nicht nur als Opfer des Verbrechens, sondern auch als Täter bzw. als Köpfe der Organisation. Dieses Frauenbild passt überhaupt nicht zum Klischee der italienischen "Mamma“ und „Matrone". Aber auch im kriminellen Milieu „emanzipieren“ sich jetzt offenbar Italiens Frauen. Beispiele für diese kriminellen Karrieren gibt es in der jüngsten italienischen Kriminalgeschichte genug. Rosetta Cutolo aus Ottaviano etwa führte in den achtziger Jahren die Geschäfte der „Nuova Camorra organizzata“ an – stellvertretend für ihren Bruder Raffaele Cutolo, der einen mörderischen Bandenkrieg um die Pfründe von staatlichen Aufträgen angezettelt hatte und dafür lebenslänglich hinter Gittern saß. Ninetta Bagarella, Totò Riinas Frau, die den in Isolationshaft einsitzenden „Boss der Bosse“ als Einzige einmal im Monat sehen durfte, fungierte als Bindeglied zwischen der Cosa Nostra in Palermo und ihrem Mann, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft von Palermo.

Aus dem Gefängnis konnte Riina so weiterhin Befehle geben. Um diese Kommunikation zu unterbinden, sollte die Frau des Cosa Nostra-Paten aus dem sizilianischen Corleone in den Norden verbannt werden. Es kam aber nicht dazu.

Stattdessen wurden ihre Gespräche mit Riina aufgezeichnet und in Mimik und Gestik kontrolliert.

Beispiellos ist auch die Karriere der schönen 44-jährigen Maria Ausilia Piroddi aus dem sardischen Barisardo, die ihre „verführerischen Waffen“ skrupellos einsetzte, um ihren Machthunger zu stillen. Die Mutter von zwei Kindern, der allenthalben eine diabolische Schönheit und ein „verhexender Blick“ bescheinigt wird, machte als Bezirkschefin der mächtigen linken Gewerkschaft CGIL mit verbrecherischen Methoden Karriere. Unliebsame Rivalen, die nicht ihrem Charme erlagen und ihrem Machthunger im Wege standen, ließ sie von angeheuerten Killern erschießen. Andere, die den politischen Ambitionen der Gewerkschaftsfunktionärin irgendwie im Wege standen, zeigte sie aufgrund fingierter Verbrechen bei der Polizei an und brachte sie so ins Gefängnis.

Frauen sind die neuen Protagonistinnen des organisierten Verbrechens. Diesen Trend belegt auch die Kriminalstatistik. Allein im Jahr 1995 wurden beispielsweise 89 Frauen wegen der Zugehörigkeit zur Mafia angeklagt. „Eine starke Rolle der Frauen hat es im organisierten Verbrechen immer gegeben“, sagt die Sozialwissenschaftlerin Alessandra Dino. Sie ist eine ausgewiesene Expertin zum Thema „Mafia und Frauen". In den letzten Tagen kam ihr Buch „Mafia donna“ (Frauenmafia) in die Buchläden, mit dem sie vor dieser Besorgnis erregenden Entwicklung warnt.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false