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The King’s Speech. Schauspieler Colin Firth im Film über den Vater der heutigen Queen Elizabeth II.

© Cinetext/Allstar/Momentum Pict.

Die Queen kommt zum Tee: Briten freuen sich an Royals wie seit Jahrzehnten nicht

Am 29. April werden die Briten sie wieder feiern, ihre Monarchie. Und die Prinzenhochzeit im Frühjahr wird nur der Anfang sein für eine glanzvolle royale Zeit.

Im Juni folgt, als bescheidene Familienfeier angelegt, aber mit Dankgottesdienst in der Schlosskapelle von Windsor vertieft, der 90. Geburtstag des Herzogs von Edinburgh, der der Königin in ihren nun fast 60 Dienstjahren als Ehemann an der Seite stand. Der Höhepunkt dann folgt im kommenden Jahr: Das „Diamond Jubilee“, das Thronjubiläum in 2012.

Großbritanniens schrumpfende Republikaner-Riege redet sich schon Mut zu. „Die Hochzeit ist eine fantastische Chance für Republikaner in Großbritannien“, behauptet Graham Smith von der Anti-Monarchie-Organisation „Republic“. An diesem Wochenende wollten die Königsgegner zum Erfahrungsaustausch mit schwedischen Republikanern nach Stockholm reisen. Auch schwedische Monarchiegegner werteten die königliche Hochzeit in Schweden als Riesenerfolg für ihre Sache. Aber Smith und seine Mitstreiter schwimmen gegen den Strom. Seit Jahrzehnten gab es nicht so wenig Kritik an den Royals. Im schlimmsten Fall sind die Untertanen gleichgültig oder fordern, dass William, Sohn des Thronfolgers, zum König gemacht und Thronfolger Prinz Charles übersprungen wird.

Kaum werden Kate & William in der Westminster Abbey den Bund fürs Leben geschlossen haben, soll der Jubel dann wie ein Tsunami um die Welt schwappen; und eine von der britischen Regierung mit 100 Millionen Pfund ausgestattete Werbekampagne für „Royal Britain“ Legionen von Touristen nach England locken. Dabei werde man, so „Visit Britain“-Sprecher Paul Eastham, „auf einer Woge der Begeisterung reiten“.

Brauchen werden die Briten das Geld. Denn die „Royal Wedding“ im April wird das Land wirtschaftlich teuer zu stehen kommen. Das Hochzeitswochenende mit arbeitsfreiem „Bank Holiday“ folgt direkt auf Ostern. Vom 22. April bis zum 2. Mai wird es nur drei Arbeitstage geben und viele werden einfach zwei Wochen Urlaub machen. Experten rechnen mit einem Verdienstausfall von 5 Milliarden Pfund – das lässt sich durch den Verkauf von Souvenirporzellan, Kate & Willie- Handtüchern, Straßenfesten und höherem Bierkonsum nicht hereinholen, auch wenn die Pubs am Hochzeitswochenende länger offen bleiben.

Star der Außenwerbungskampagne ist aber nicht die Queen, sondern Starschauspielerin Judi Dench und die britische Schauspieleraristokratie. Die Filmindustrie gibt sich schon lange mit Erfolg monarchistisch. Nach dem Welterfolg von „The Queen“ lief in Großbritannien und den USA gerade, rechtzeitig vor der Nominierung der Oscars, „The King’s Speech“ an. Der Film erhielt bereits fünf „Golden Globes“. Das Land rechnet fest damit, dass die Oscars folgen werden. Schauspieler Colin Firth hat am Freitag schon seinen Stern auf Hollywoods Ruhmeszeile „Walk of Fame“ enthüllt.

Der Film erzählt, wie König George VI. (1895–1952) mithilfe eines australischen Außenseiters den Kampf gegen sein Stottern aufnimmt – eine Folge der bekannten Kindergrausamkeit und Gefühlskälte der Windsors. Eigentlich wollte er nie König sein und hielt sich für einen Versager. Aber die Abdankung seines Bruders Edward VIII. zwang ihn auf den Thron. Nun wird der Stotterer zwar nicht von der schrecklichen Hemmung befreit, aber doch königsfähig gemacht – mithilfe seiner liebreizend-patenten Frau Elizabeth (der mit 102 gestorbenen ‚Queen Mom’) und des australischen Pubbesitzersohnes Lionel Logue, der in London ohne Qualifikation als Logopäde praktizierte.

Die Botschaft des historisch korrekten Filmes ist emotional packend: In der Annäherung der beiden Außenseiter, des Mannes aus dem Volke und des verklemmten und jähzornigen Aristokraten wird die mythische, trotz unüberbrückbarer Distanz besiegelte Gemeinschaft von Volk und König geschaffen, in der die Monarchie verankert ist. Der traumhafte Höhepunkt ist, wenn König und Königin im Wohnzimmer des Logopäden stehen. „Tief im kollektiven Unterbewusstsein der Briten gibt es einen besonderen Platz für den Traum, dass die Queen zum Tee kommt“, schrieb der „Economist“. Der Nationalmythos, in dem sich mit König und Volk unnahbare Grandeur und herzliche, praktische Menschlichkeit verbinden.

Der Erfolg von „The King’s Speech“ knüpft an mehrere TV-Serien an, die diesen Mythos der durch die Begegnung mit „normalen Menschen“ vermenschlichten Aristokratie pflegen. 12 Millionen Zuschauer begeisterten sich im Herbst an der TV-Serie „Downton Abbey“ des Fernsehsenders ITV, in der sich die Grafenfamilie Crawley und ihr Personal an die Bewältigung geschichtlicher Stürme machen – die siebenteilige Serie spielt direkt vor dem ersten Weltkrieg. Jetzt fiebert das Land der Fortsetzung entgegen. Die BBC konterte Weihnachten mit einer Fortsetzung der alten TV-Serie „Upstairs, Downstairs“, die das Genre in den siebziger Jahren begründete. Wie sich in „The King’s Speech“ das Volk und der Stotterer-König gegen den heraufkommenden Faschismus verbünden, stehen in „Upstairs, Downstairs“ die Bediensteten aus dem Kellergeschoss und die Herrschaften aus der Bel Etage gemeinsam gegen die Bedrohung zusammen.

Auch die Royal Wedding wird, wie jede große Königsfeier, diesen Mythos pflegen. Und die Verbindung des zukünftigen Königs William, der als Rettungspilot einer fast bürgerlich nützlichen Tätigkeit nachgeht, und der Tochter des Piloten Michael Middleton, der mit einem Partyversand zum Kleinmillionär wurde, könnte nicht besser geeignet sein. Die Middletons bewährten sich mit der gleichen Diskretion wie der Logopäde Logue, der nicht einmal seiner Frau sagt, dass er den König behandelt. Kate bleibt bescheiden, wie eine echte Aschenputtelprinzessin. Modeexperten sind verzweifelt, weil sie oft Kleider trägt, die schon vor fünf Jahren in den Läden hingen.

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