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Panorama: Die rote Heidi und der Rocker

Wie der Musiker Bob Geldof und Ministerin Wieczorek-Zeul Afrika retten wollen

Für ihren Geschmack sagt er ein bißchen zu häufig „fuck“. Oder „bullshit“. In solchen Momenten faltet die ehemalige Lehrerin streng ihre Hände auf dem Tisch, blinzelt konzentriert und spitzt die Lippen. Ansonsten aber sind sich die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul – Spitzname: „rote Heidi“ – und der irische Rockstar Sir Bob Geldof einig: „Live 8“, der für den 2. Juli geplante Überraschungsnachfolger vom 1985er Rockspektakel „Live Aid“, wird ein Hit. „Die größte Ansammlung von Stars aller Zeiten“ kündigte Geldof gestern auf der gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin an. „Eine große Initiative“, ergänzte die Ministerin.

Geplant sind nach Auskunft von Konzertveranstalter Marek Lieberberg zeitgleich sieben kostenlose Konzerte in sieben Städten der sieben führenden Industriestaaten (G7): Berlin, London, Paris, Rom, Philadelphia, Tokio und Ottawa. „Live 8“ soll öffentlichen Druck auf die vier Tage später in Schottland tagenden Regierungschefs der G-8-Länder (G7 plus Russland) erzeugen. Konkret fordert Geldof eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe, einen hundertprozentigen Schuldenerlass und fairen Handel. Das deutsche Konzert mit Künstlern wie Green Day, Wir sind Helden, A-ha, BAP, und Söhne Mannheims soll am 2. Juli von 14 bis 20 Uhr auf der Straße des 17. Juni stattfinden. Lieberberg und Geldof rechnen mit weltweit einer Million Fans vor den Konzertbühnen und zwei Milliarden Zuschauern vor den Fernsehern.

Inhaltlich will Geldof, wie schon beim ersten von ihm initiierten „Live Aid“-Konzert vor fast genau zwanzig Jahren, auf die Armut insbesondere in Afrika aufmerksam machen. Der Spendenerlös der damaligen Konzerte in London und Philadelphia unter dem Motto „Feed the World“ beträgt nach Angaben Geldofs bis heute rund 200 Millionen Dollar. Diesmal aber gehe es ihm nicht allein um die Finanzen, sagt der politisch aktive Musiker – am wichtigsten sei ihm der weltweit friedliche Druck vor dem Gipfeltreffen: „All das individuelle Geld reicht nicht aus“, meint Geldof, „das ist ein strukturelles Problem.“

Die Entscheidung für seine zweite große Hilfsaktion habe er gefällt, nachdem er vor eineinhalb Jahren den Norden Äthiopiens bereist habe, berichtet Geldof. „Die Menschen sterben dort wegen Dürre und Aids. Warum? Weil sie zu arm sind.“ Alle Probleme des Kontinents seien auf dieses eine reduzierbar: Armut.

Deutschland und anderen reichen Ländern legt der Rocker ans Herz, über innenpolitischen Problemen wie Arbeitslosigkeit und mangelndem Wirtschaftswachstum nicht zu vergessen, dass sie zu den reichsten Staaten der Welt zählten. „Ihr mögt euch momentan hier nicht so fühlen“, sagt er, „aber es ist die Wahrheit.“ Dazu nickt die Entwicklungsministerin zustimmend.

Für Heidemarie Wieczorek-Zeul muss die Veranstaltung überhaupt sehr angenehm gewesen sein: Geldof selbst lobt sie, als er den aktuellen Plan der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erwähnt, nach dem diese ihre Entwicklungshilfe bis 2015 stufenweise von bisher 60 Milliarden auf 120 Milliarden Dollar pro Jahr verdoppeln wollen. „Das habt ihr gut gemacht“, sagt der Rocker und fährt der überraschten Ministerin liebevoll mit der Hand durchs Haar.

Veranstalter Lieberberg lobt derweil Wieczorek- Zeuls persönlichen Einsatz für das deutsche „Live 8“-Konzert in Berlin. Davor, sagt er, ohne Namen zu nennen, habe es Schwierigkeiten gegeben.

Kritik äußert indes der ebenfalls anwesende Geschäftsführer von Oxfam Deutschland, Paul Bendix: „Es reicht nicht aus, wenn die Bundesregierung nur sagt, dass sie ihre Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens anhebt. Wir fordern einen Kabinettsbeschluss, und den gibt es nicht.“ Die 0,7-Prozent-Marke ist schon älter als das erste Hilfskonzert von Bob Geldof. 1970 einigte sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf dieses Entwicklungshilfe-Minimum. Deutschlands Beitrag derzeit beträgt 0,28 Prozent – nur etwas mehr als ein Drittel.

Nicht zu gering, sondern riesig ist nach Geldofs Angaben der Andrang der Musiker, die bei „Live 8“ mitmachen wollen. Als ein Reporter wissen will, weshalb das deutsche Aufgebot dennoch so schwach sei, schimpft Geldof: „Grönemeyer und die Toten Hosen sind doch nicht schwach!“ Es zähle, wie viele Alben jemand verkauft. Greenday hätten sogar gesagt: „Fuck, wir wollen bei allen sieben Gigs dabei sein.“ – Da muss die Ministerin wieder die Hände falten.

www.live8live.com

Felix Serrao

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