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Panorama: Die Skilehrer handelten nicht fahrlässig. Touren abseits der Pisten gehören zum Ausbildungsplan

Geschockt und tief erschüttert stehen die Angehörigen der Lawinenopfer in der katholischen Dorfkirche von Niedernsill. Ein junges Mädchen kann ihre Tränen nicht zurückhalten.

Geschockt und tief erschüttert stehen die Angehörigen der Lawinenopfer in der katholischen Dorfkirche von Niedernsill. Ein junges Mädchen kann ihre Tränen nicht zurückhalten. Direkt vor dem Altar stehen die Särge von neun der elf Verunglückten der Lawinenkatastrophe vom Dienstagnachmittag. Auf kleinen weißen Aufklebern kann man Name, Herkunft und Alter der Verstorbenen lesen. Die Männer und Frauen waren zwischen 23 und 40 Jahren und stammten aus Österreich, Finnland, Belgien, Dänemark und der Slowakei. Sie gehörten zu einer Gruppe erfahrener Skilehrer, die in einem Seitental des Kitzsteinhorns das Tiefschneefahren geübt hatten.

Schnee und Hagel haben am Mittwoch vormittag Anflüge der Suchmannschaften unmöglich gemacht, starker Wind hätte die Helikopter den ganzen Tag über in Absturzgefahr gebracht. Neue Lawinenabgänge an der Unglücksstelle im Ganzjahresskigebiet beim Gletscher nahe Kaprun waren zu erwarten, nachdem bereits am Dienstag ein zweites Schneebrett die Suchtrupps nur knapp verfehlt hatte. Zumindest mit einer neuen Erkenntnis konnten sich die zur Tatenlosigkeit verurteilten Rettern trösten. Nachdem sie bis in die Dunkelheit nach zwei verschollenen Snowboardern gesucht hatten, korrigierte die Salzburger Gendarmerie ihre Angaben am Mittwochmittag.

"Eine neue Einvernahme der Augenzeugen des Unglücks hat ergeben, dass lediglich eine Person vermißt wird," sagte Polizeisprecher Arno Kosmata. In der Nacht zuvor war das Auto des verschollenen Snowboarders aus Kaprun auf dem Parkplatz der Seilbahn zum mehr als 3000 Meter hohen Kitzsteinhorn entdeckt worden. Überlebenschancen in den bis zehn Meter aufgetürmten Schneemassen der riesigen Grundlawine räumten die Einsatzkräfte dem 22jährigen jungen Mann nicht ein. In der Kirche von Niedersill fand am Mittwochnachmittag ein ökumenischer Gottesdienst für die elf Todesopfer der Lawinenkatastrophe und den Vermißten statt.

Das Unglück scheint um so tragischer, als grobe Fahrlässigkeit nach den ersten Ermittlungsergebnissen auszuschließen ist. Die Opfer gehörten zu einer internationalen Truppe von Skilehrern, die unter der Anleitung zweier erfahrener Bergführer ein Weiterbildungsprogramm absolvierte. Touren abseits der Piste gehören zum normalen Ausbildungsplan. "Es wurde eine Stunde vor Abgang der Lawine gegen zwei Uhr am Dienstag mittag auf einem vergleichbaren Hang in derselben Höhe ein Schneeprofil angelegt. Bei allen Tests wurde die Situation als sicher eingestuft", sagte der Chef des Skilehrerverbandes im Bundesland Salzburg, Albert Schmiedhuber. Bei einer Lawinenwarnstufe zwischen zwei und drei auf der fünfteiligen Skala wagten die Skilehrer-Ausbilder den Gang an den Hang oberhalb des Mühlbachtals.

Auch bei der Tour der beiden Gruppen wahrten die Leiter offensichtlich die nötige Vorsicht. Einer der Ausbilder befuhr laut Ermittlungen der Gendarmerie den Hang, bevor die Teilnehmer der ersten Gruppe einzeln nachkamen. Inzwischen hatte sich der Snowboarder aus Kaprun den Skiläufern angeschlossen. Bei der Abfahrt des letzten Läufers der ersten Gruppe löste sich schließlich die Lawine auf einer gewaltigen Breite von mindetens 400 Metern und begrub dessen Kameraden unter den Schneemassen. "Wir können noch nicht sagen, ob einer der Abfahrer die Lawine verursachte oder ob sie sich selbst auslöste", ließ Gendarmeriesprecher Kosmata die Unglücksurache am Mittwoch offen.

Dem raschen Einsatz der Helfer kam zugute, dass eine Zeugin des Lawinenabgangs sofort danach über ihr Mobiltelefon Hilfe herbeirief. Eine Stunde danach trafen die ersten Suchtrupps ein. Insgesamt waren schließlich mehr als 100 Retter im Einsatz. Obwohl die Skilehrer mit Lawinenpiepsern ausgerüstet waren, die bei Verschüttungen Tonsignale senden, konnten die meisten nicht mehr gerettet werden.

Ulrich Glauber

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