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Panorama: Die Türkei überrascht durch effiziente Hilfe

Es geht also doch: Im türkischen Erdbebengebiet stampften Helfer am Montag ganze Zeltstädte aus dem Boden; aus mehreren Feldküchen verteilte die Hilfsorganisation Roter Halbmond warme Mahlzeiten an die frierenden Menschen; zehntausende Decken und tausende Heizofen wurden ins Unglücksgebiet geschafft. In der Nacht werde jeder ein behelfsmäßiges Dach über dem Kopf und ine warme Mahlzeit im Bauch haben, versprach der Rote Halbmond.

Es geht also doch: Im türkischen Erdbebengebiet stampften Helfer am Montag ganze Zeltstädte aus dem Boden; aus mehreren Feldküchen verteilte die Hilfsorganisation Roter Halbmond warme Mahlzeiten an die frierenden Menschen; zehntausende Decken und tausende Heizofen wurden ins Unglücksgebiet geschafft. In der Nacht werde jeder ein behelfsmäßiges Dach über dem Kopf und ine warme Mahlzeit im Bauch haben, versprach der Rote Halbmond.

Das war auch dringend notwendig: Bei Temperaturen von bis zu sieben Grad unter Null verbrachten viele Menschen die Nacht an Lagerfeuern auf den Straßen. Trinkwasser und Milch für die Kinder waren aber zur Stelle, und fast jeder besaß zumindest schon eine der gestreiften Wolldecken des Roten Halbmondes. Bis zum Nachmittag wurden mehr als 10 0000 Decken angeliefert, 3000 Hauszelte errichtet und 2500 Heizöfen bereitgestellt, und der Krisenstab in Ankara schickte immer weiteren Nachschub.

Noch einmal will sich der türkische Staat nicht dem Volkszorn aussetzen, den er beim Beben von 1999 in der Marmara-Region auf sich gezogen hatte. Die rasche und effiziente Hilfsaktion in Afyon steht im frappierenden Kontrast zur verspäteten und chaotischen Reaktion von damals. "Wo bleibt der Staat", riefen damals wütende Demonstranten dort und buhten den Staatspräsidenten aus. Das reibungslose Krisenmanagement in Afyon zeigt, dass öffentlicher Druck selbst in der obrigkeitsgläubigen Türkei etwas bewirken kann.

Doch besseres Krisenmanagement ist nicht genug, wie der Chef der türkischen Erdbebenwarte, Ahmet Mete Isikara, jetzt wieder betonte. Den 44 Menschen, die in Afyon von einstürzenden Häusern erschlagen wurden, nützt die beste Hilfsaktion nichts mehr - ebenso wie den 20 000 Opfern der verheerenden Beben von 1999. "Wenn wir rechtzeitig gehandelt hätten, wenn wir erdbebensicher gebaut hätten, wenn wir uns geschult hätten, dann könnten diese Menschen noch leben", sagte Isikara. Seit Jahren beschwört er seine Landsleute, endlich den Tatsachen ins Auge zu sehen: "Die Türkei muss neu gebaut werden." Fast das ganze Land ist erdbebengefährdet, doch wie in Afyon wird überall mit minderwertigem Beton, mit Lehmziegeln und auf sandigem Boden gebaut.

Und daran ist beileibe nicht nur der Staat schuld. Seine Bürger sind nur allzu gerne bereit, ihre Häuschen schwarz zu errichten, die Bauaufsichtsbehörden zu bestechen und auch sonst beide Augen fest vor der Gefahr zu verschließen. Zwar rechnen Umfragen zufolge zwei Drittel der Türken damit, dass sie früher oder später vom Erdbeben erwischt werden - doch gerade einmal 1,5 Prozent haben zumindest ihren Schlafplatz gesichert. Auch die seit zwei Jahren gesetzlich vorgeschriebene Erdbebenversicherung hat kaum jemand tatsächlich erworben. Statt dessen setzen viele Türken auf höheren Schutz: Das Istanbuler Grab eines Heiligen, der angeblich vor Erdbeben schützen kann, erlebt nach jedem Erdstoß einen Besucheransturm.

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