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Panorama: Die verlorene Kaiserin

Eierlikör, Nierentisch, Bundeskanzler Adenauer - drei Koordinaten des bundesdeutschen Bewusstseins der Nachkriegszeit. Eine vierte war Soraya: die Märchenkaiserin, die Deutsche auf dem Pfauenthron, die traurige Prinzessin mit den smaragdgrünen Augen.

Eierlikör, Nierentisch, Bundeskanzler Adenauer - drei Koordinaten des bundesdeutschen Bewusstseins der Nachkriegszeit. Eine vierte war Soraya: die Märchenkaiserin, die Deutsche auf dem Pfauenthron, die traurige Prinzessin mit den smaragdgrünen Augen. Die Regenbogenpresse, die sie belagerte wie später nur Lady Di, hat zahllose schmückende Beinamen erfunden für die Frau, die nach nur sieben Jahren am persischen Hof ins bürgerliche Leben zurückgestoßen wurde, weil sie kein Kind zur Welt bringen konnte. Am Mittwoch ist sie in ihrer Pariser Wohnung gestorben, 69 Jahre alt ist sie geworden.

Einsam, heißt es, sei Soraya gewesen in den letzten Jahren in Frankreich. Ein Klischee - oder die Wahrheit? Sicher ist, dass sie fast in Vergessenheit geraten war; doch als sie kurz vor ihrem Tod einem Journalisten erzählte, längst interessierten sich die Passanten mehr für ihren Hund als für sie, da schien sie über diesen Umstand nicht unglücklich zu sein. Denn in den 50er Jahren allein ist vermutlich mehr über sie berichtet worden, als ein Mensch im ganzen Leben ertragen kann.

Soraya Esfandiari war 18 Jahre alt, als sie 1951 in Teheran Reza Pahlevi, den 15 Jahre älteren Schah von Persien heiratete. Eine standesgemäße Verbindung, denn ihr Vater stammt aus einer der mächtigsten persischen Familien, dem Bachtiari-Clan, und war von 1951 bis 1961 Botschafter seines Landes in Deutschland, wo er als Student auch seine deutsche Frau Eva Karl kennengelernt hatte. Soraya verbrachte ihre Kindheit in Berlin und Isfahan. 1950 fiel sie dem Schah, der sich zuvor von seiner ersten Frau getrennt hatte, auf einem Foto auf. Liebe auf den ersten Blick und auf beiden Seiten, Verlöbnis, Hochzeit mit 2000 Gästen im Golestan-Palast, Reisen um die ganze Welt, Prunk, märchenhafter Reichtum - die Zutaten für eine unendliche Zahl von Berichten in der Regenbogenpresse waren beisammen, die wichtigste kam bald hinzu: die Tragik. Denn als sich herausstellte, dass sie keine Kinder bekommen würde, stand sie vor der Alternative, die Ehe entweder aufzulösen oder eine Nebenfrau zu akzeptieren. Sie entschloss sich 1958, zu gehen, weich gepolstert mit einer Abfindung, die auf 17 Millionen Mark geschätzt wurde. Liebe, die sich der Staatsräson opfert - ein Motiv wie aus einem Herz-Schmerz-Roman.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Soraya, unfreiwillig, dazu beigetragen, die Auflagen der Illustrierten auf einen nie wieder erreichten Auflagengipfel zu treiben. Jubelnde Deutsche säumten die Straßen, als sie 1955 zum Staatsbesuch kam, das Hamburger Hotel erstickte unter Blumensträußen und Präsenten, und jede Einzelheit aus dem Leben der Lieblingskaiserin der Deutschen wurde in der "Soraya-Presse" vermerkt (und notfalls erfunden). Doch statt Gegendarstellungen zu fordern, intervenierte das persische Kaiserhaus auf diplomatischem Wege. Der Bundestag formulierte eilfertig ein neues Gesetz zum Persönlichkeitschutz fremder Staatsoberhäupter, das als "Lex Soraya" verspottet wurde - und nie die dritte Lesung erlebte.

Soraya, gerade 24 Jahre alt, stürzte sich nach der Scheidung ins pralle Leben an den Lieblingsplätzen des Jet-Set. St. Tropez, St. Moritz, Monaco, immer wieder Paris. Paparazzi lauerten ihr auf, Affären fanden statt oder wurden ihr nachgesagt - Maximilian Schell? Gunter Sachs? - und bald fühlte sich die Partyprinzessin reif für eine Filmkarriere. "Die drei Gesichter einer Frau" hieß der 1964 veröffentlichte Streifen, der von der Kritik verhöhnt und von den Zuschauern mißachtet wurde - es blieb ihr einziger Anlauf auf Leinwandruhm. Auch in der Liebe wurde sie weiter vom Pech verfolgt, denn 1972 kam ihr Lebensgefährte, der Filmregisseur Franco Indovina, bei einem Flugzeugunglück ums Leben, zwei weitere enge Freunde begingen Selbstmord.

Schließlich zog sie sich zurück in ihre Wohnung in der Avenue Montaigne, wo sie einige Jahre Nachbarin von Marlene Dietrich war, einer anderen Gestrandeten. Gerüchte machten die Runde, sie ruiniere sich mit Alkohol, doch der Fernsehautor Roland May, der sie 1998 interviewte, berichtet von einer herzlichen, aufgeschlossenen, jung wirkenden Frau.

Dem Schah ist sie nach der Scheidung nie wieder begegnet. Erst 1987 brach sie ihren Schwur "Ich komme nie wieder" - und besuchte in Ägypten das Grab ihres Mannes, der dort 1980 gestorben war.

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