zum Hauptinhalt

Dienstleister: Gestresste US-Bürger - Alltagspflichten erledigen Profis

Zeitraubende Anrufe, lästige Botengänge: In den USA gibt es Firmen, die sich den Pflichten des Alltags gerne annehmen - für all diejenigen, die dafür in ihrem Privatleben selbst keine Zeit mehr haben. Der Service geht dabei weit über das Gewohnte hinaus.

Extravagante Aufträge ist Steve Ludmer inzwischen gewohnt. Aber über einen muss er noch heute den Kopf schütteln: "Eine Frau rief bei uns an und ließ uns mit ihrem Freund Schluss machen", erzählt der Firmenchef. "Ich nehme jedenfalls an, dass es so war, denn wir mussten ihre Verabredung absagen und dem betroffenen Herrn Grüße ausrichten. Ich will mal stark hoffen, dass der Typ sie danach nie wieder sehen wollte."

Vor einem Jahr gründete Ludmer gemeinsam mit einem Geschäftspartner die Firma AskSunday.com. Beide waren damals stark in ihren Job eingebunden und stöhnten unter ständigem Zeitdruck. "Wir dachten uns: wäre das nicht wundervoll, jetzt einen Assistenten zu haben, der alle unsere privaten Sachen erledigt?", erklärt Ludmer. Aber natürlich will niemand seine Sekretärin für zum Teil sehr persönliche Arbeiten einspannen. Und so war die Geschäftsidee geboren: ein Unternehmen, das gestressten Menschen lästige Botengänge und zeitraubende Anrufe abnimmt.

Moderate Kosten für Serviceangebot

Die Kunden nehmen den Service dankbar an. Vom Buchen eines Arzttermins über die Tisch-Reservierung im Restaurant bis hin zur Zusammenstellung von Mailinglisten oder zur Planung ganzer Geschäftsreisen übernimmt AskSunday.com alles, was den Kunden zu viel wird. Die Preise sind moderat: 19 Dollar (zwölf Euro) kostet ein Monatsabo, das zehn Aufträge abdeckt. Wer mehr Hilfe braucht, kann sich gegen ein Honorar von 135 Dollar bis zu 90 Arbeiten abnehmen lassen.

Die günstigen Preise kann die US-Firma bieten, weil sie ihre Mitarbeiter in Indien rekrutiert. Wer also die Kontaktnummern in Washington, New York, London oder Sydney anwählt, wird automatisch nach Hyderabad durchgestellt, wo rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche, englischsprachige Mitarbeiter zur Verfügung stehen. "Wir sind dort für Collegestudenten interessant, die einen Job in einem internationalen Call Center suchen", sagt Ludmer. "Bei den Lohnstandards in den USA wäre es hier viel schwieriger, motivierte und engagierte Leute zu finden."

Auch ungewöhnliche Aufträge

Die Mitarbeiter erledigen für die Kundschaft in der Regel weit mehr als in Call Centern sonst üblich. Für die wissenschaftliche Arbeit einer Doktorandin beobachteten die indischen Angestellten mehrere Monate lang die Top-Angebote im Internetauktionshaus Ebay; einem Zahnarzt suchten sie sämtliche Angebote zu Zahnversicherungen in New Hampshire heraus.

Doch AskSunday.com ist längst nicht das einzige Unternehmen, das überarbeiteten US-Bürgern unangenehme Alltagspflichten abnimmt. Die Firma Get Friday bietet nicht nur die gängigen Reisebuchungen und Online-Bestellungen, sondern auch Motivationshilfe für willensschwache Naturen: Kunden können sich hier nicht nur einen individuellen Diätplan zusammenstellen lassen, sondern auch gleich eine Art Coach mitbuchen, der die Lebensmittel besorgt und dem Probanden streng die verspeisten Kalorien vorrechnet. Andere lassen sich morgens per Telefon wecken und zu Frühsport und Bettenmachen ermahnen. Eltern auf Reisen können ihren Kindern die Gute-Nacht-Geschichte am Telefon vorlesen lassen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wer macht mir die Ohren sauber?

Über den Einfallsreichtum ihrer Kunden haben auch die Betreiber von Do My Stuff schon so manches Mal gestaunt. Das Unternehmen stellt selbst keine Dienstleistungen zur Verfügung, sondern eine Internetplattform, auf der gestresste Menschen ihr Anliegen beschreiben können. Andere Nutzer bieten dann ihre Dienste an. Die Plattform ist kostenlos und wird rege besucht. In den anderthalb Jahren seit der Freischaltung haben sich bereits 50.000 Nutzer angemeldet.

"Einmal hat tatsächlich jemand gefragt, wer ihm die Ohren sauber machen könnte", erzählt David Davin, der die Seite betreibt. "Wir dachten, das ist ein Scherz, aber wir haben die Frage trotzdem stehen lassen." Dann seien die ersten Angebote gekommen - und der Nutzer habe wirklich die beste Wahl getroffen. "Gewonnen hat ein Arzt, der schrieb: 'Ich weiß, wie man professionell Ohren säubert und ich kann Ihnen zeigen, wie man das macht.'" Zufriedene Kunden - was will man mehr?

Karin Zeitvogel[AFP]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false