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Panorama: Diktator als Popstar: Kim Jong Il wird Kult

Schneller kann man sein Image wohl kaum verbessern: Noch vor drei Monaten galt Nordkoreas selbst ernannter "Lieber Führer" Kim Jong Il als einer der geheimnisvollsten Diktatoren der Welt. Für Flugzeugentführungen, Terroranschläge und Atomwaffenversuche wurde der Mann mit dem luftigen Haarschnitt verantwortlich gemacht.

Schneller kann man sein Image wohl kaum verbessern: Noch vor drei Monaten galt Nordkoreas selbst ernannter "Lieber Führer" Kim Jong Il als einer der geheimnisvollsten Diktatoren der Welt. Für Flugzeugentführungen, Terroranschläge und Atomwaffenversuche wurde der Mann mit dem luftigen Haarschnitt verantwortlich gemacht. Doch das scheint im Moment alles vergessen: Seit seinem Auftritt beim Korea-Gipfel im Juni, bei dem sich der bis dahin zurückgezogene Potentat erstmals live vor ausländischen TV-Kameras zeigte, gilt Kim Long Il in Südkorea als Modetrend.

Auf den Straßenmärkten von Seoul verkaufen clevere Händler kakifarbene Anzüge im "Kim Jong Il Look". Beim Großunternehmen LG, das eine Kollektion von Kim Jong Il-Jacken für Werbezwecke herstellen ließ, gingen innerhalb der ersten drei Stunden 300 Bestellungen über das Internet ein. Mittlerweile produzieren mehrere Hersteller den so genannten "Inminbok" - die koreanischer Version des Mao-Anzugs. "Wir haben die Idee für die Jacken bekommen, als wir Kim Jong Il im Juni im Fernsehen bei dem Gipfeltreffen sahen", sagt ein Sprecher des Modefirma Kolon, die für 200 000 Won (300 Mark) die Jacken verkauft.

Schuld an der Begeisterungswelle hat die Politik: Seit dem historischen Gipfeltreffen vor zwei Monaten ist bei vielen Koreanern die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung aufgekeimt. Bei den südkoreanische Radiostationen sind Schlager aus dem Norden plötzlich in den Hit-Paraden. In Fernsehspots werben Kim Kong Il-Doppelgänger mit auftoupierten Haaren für Mobiltelefone. Sogar die übergroßen, dickrandigen Sonnenbrillen, die außer Kim nur noch Altkommunisten wie Chinas Jiang Zemin tragen, gelten bei Jugendlichen als trendy.

Südkoreas Medien sprechen bereits von einem "Kim Jong Il"-Syndrom. Jahrzehntelang war Kim Jong Il, der die Herrschaft über sein hungerndes Land 1994 von seinem Vater übernahm, für die Welt ein Rätsel. Er empfing keine ausländischen Staatsgäste, zeigte sich äußerst selten im Fernsehen. Was man über ihn wusste, waren vor allem Legenden: Mal wurde der heute 58-Jährige als Playboy beschrieben, der sich blonde Frauen aus dem Ausland zuführen ließ. Ein anderes Mal hieß es, der Mann sei sprachbehindert, und zeige sich deshalb nie öffentlich.

Als Kim beim Gipfel im Juni völlig unvorhergesehen persönlich auf dem Flughafen auftauchte, um Südkoreas Präsident Kim Dae Jung zu begrüßen, war die Überraschung groß. Er plauderte vor den laufenden Kameras nicht nur munter und humorvoll drauf los, als habe er sein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Er zeigte auch - was in Korea wichtig ist - dem älteren Kim aus Südkorea den gebotenen konfuzianischen Respekt. Auch wenn besonnenere Gemüter davor warnen, den Diktator zu unterschätzen - außer einigen Familienbesuchen hat Nordkorea in den Entspannungsgesprächen gegenüber dem Süden bislang kaum Zugeständnisse gemacht. Die Kim Jong Il-Begeisterung scheint im Moment jedenfalls ungebrochen: Unter dem Arbeitstitel "1004 Tage" sollen in diesem Monat in Seoul die Dreharbeiten für einen Kinofilm beginnen. Der Plot: Im Jahr 2003 versucht eine Verschwörung des Militärs den Frieden und die Wiedervereinigung Koreas zu boykottieren. Der Retter in der Not: Kim Jong Il.

Harald Maass

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