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Friederike Hahn fahndet im Lebensmittelinstitut Oldenburg nach Dioxin.

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Dioxin-Analyse: Die Rührstation war gar nicht registriert

Die Dioxinfunde geben auch den Ermittlern nach wie vor Rätsel auf. Haben "Mixer" bewusst minderwertige technische Mischfettsäure zu teurem Futterfett verarbeitet? Falls ja, in wessen Auftrag?

Friederike Hahn arbeitet hochkonzentriert. Die Chemikerin füllt Lösungsmittel in lange Glasröhrchen. Danach wiegt sie kleine Portionen von einem weißen Pulver ab. Damit wird sie später alle Fremdstoffe aus der Probe filtern. Denn bei ihrer Arbeit kommt es ihr nur auf eins an: Dioxin. Seit Tagen schieben die elf Mitarbeiter des Lebensmittelinstituts in Oldenburg Überstunden. Unzählige Eier haben sie seit Ausbruch des Dioxin-Skandals gepellt, kiloweise Fleisch in speziellen Mixern püriert. Die Dioxin-Analyse sei nicht nur kompliziert, sondern auch sehr zeitaufwendig, sagt Laborleiterin Elke Bruns-Weller. Drei Tage dauert es allein, bis die Laboranten die Eier- und Fleischproben vorbereitet haben. Die Eier müssen gekocht, gepellt und dann in einem Mixer zerkleinert werden. „Was wir brauchen, ist das Fett aus den Eiern“, erläutert Bruns-Weller. Mithilfe von Lösungsmitteln extrahieren die Chemiker dies aus der Masse. Am Ende des langwierigen Verfahrens erhalten die Chemiker einen Mikroliter reinen Fettextraktes. Ein Mikroliter ist der millionste Teil eines Liters. 20 Eier, ein Liter Milch oder ein Kilo Fleisch sind nötig, um diese winzige Menge zu gewinnen. In kleinen Glasgefäßen gelangen die Proben schließlich zur Analyse. Dort hat Jörn Berens zurzeit alle Hände voll zu tun. Der Messtechniker betreut die beiden Analysegeräte. Ein Gaschromatograf spaltet die Proben zuerst in die verschiedenen Dioxine auf.

Bruns-Weller beschäftigt diese Tage vor allem eine Frage: Wie gelangten die Dioxine in das Tierfutter? Die Firma Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein hatte Industriefette als Futterfette verarbeitet. Doch selbst technische Fette enthielten eigentlich kein Dioxin in dem Ausmaß, sagt Bruns-Weller.

Diese Dioxinfunde geben auch den Ermittlern nach wie vor Rätsel auf. Haben „Mixer“ bewusst minderwertige technische Mischfettsäure zu teurem Futterfett verarbeitet? Falls ja, in wessen Auftrag? Der Skandal um Gift in Eiern und Futtermitteln bringt zwar immer neue Grenzwertüberschreitungen ans Licht, doch vieles liegt noch im Dunkeln. Vom FettHersteller Harles und Jentzsch aus Uetersen, der im Zentrum der Affäre steht, kam bisher wenig Erhellendes. „Wir haben keine Fette benutzt, die nicht erlaubt sind“, versicherte Geschäftsführer Siegfried Sievert im Spiegel-TV-Magazin. Er wies den Vorwurf zurück, in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein. Die wohl weitreichendste Spekulation, mit der auch die Staatsanwälte in Schleswig-Holstein und Niedersachsen konfrontiert sind: Wurde bewusst versucht, belastete Vorprodukte in einer Anlage im niedersächsischen Bösel so lange zu verdünnen, bis der Dioxin-Grenzwert erreicht war? Das Dioxin soll in Bösel in das Futterfett gelangt sein. Dort steht eine Rührstation, die für die 15-Mitarbeiter-Firma Harles und Jentzsch arbeitet, für diesen Geschäftszweck aber gar nicht registriert ist. Deswegen wurde sie nach Angaben der niedersächsischen Aufsichtsbehörden auch nicht kontrolliert. Die 112 sogenannten Rückstellproben, die derzeit nach und nach untersucht werden und zum Teil extreme Grenzwertüberschreitungen offenbaren, wurden zwar in Uetersen sichergestellt. Aber sie sollen alle aus Bösel stammen.

Inzwischen haben sich die Forderungen verstärkt, ein mögliches einfaches „Hebelumlegen“ in der Produktion zu unterbinden. „Die gleichzeitige Herstellung von Futtermitteln und von technischen Produkten, die für Futtermittel gefährlich sind, unter dem Dach des gleichen Betriebes erscheint mir vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse zu riskant“, sagt Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf. Dies würde es auch zumindest erschweren, dass ein Hersteller, der beides produziert, ein Fremdlabor mit falschen Angaben in die Irre führen könnte. Eine für Futtermittel geltende Grenzwertüberschreitung bei Dioxin müsste nämlich nicht gemeldet werden, wenn die Probe als technische Fettsäure eingereicht wurde.

„Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist“ – so hatte sich Harles-und-Jentzsch-Geschäftsführer Sievert nach Bekanntwerden der überhöhten Dioxin-Werte zunächst geäußert. Dann hieß es, die belasteten technischen Fettsäuren seien versehentlich in Futterfette gelangt – was Niedersachsens Landwirtschaftsministerium offen als unglaubwürdig einstufte. dpa

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