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Dioxine: In der Substanz gefährlich

Wie viele verunreinigte Lebensmittel im Umlauf sind, ist unklar. Wie weit reicht das Risiko?

Was sind Dioxine?

Hinter dem Namen Dioxine verbirgt sich eine große Gruppe von chlorhaltigen Substanzen, zu denen 75 Dioxin- und 135 Furan-Verbindungen gehören. Hinzu kommen 209 dioxinähnliche Kohlenwasserstoffe, die polychlorierten Biphenyle (PCBs). Von diesen 419 bekannten dioxinartigen Substanzen gelten 30 als besonders giftig, am gefährlichsten ist TCDD, auch bekannt als „Seveso-Dioxin“. Es macht etwa zehn Prozent des Dioxin-Risikos aus.

Wie entstehen Dioxine?

Dioxine entstehen als unliebsame Nebenprodukte bei der Verbrennung, daneben in Papierfabriken mit Chlorbleiche und bei der Herstellung von chlorhaltigen Pflanzenschutzmitteln. Gesetzliche Regulierungen, Verbote und der Einbau von Filtern haben die Dioxinbelastung stark zurückgedrängt. So ist der Dioxingehalt in der Muttermilch seit Ende der 80er Jahre um 60 Prozent zurückgegangen. Die Hauptquellen für das Umweltgift sind heute die Metallindustrie (mehr als die Hälfte der Belastung), private Ofenheizungen und Kamine (knapp ein Viertel) sowie Kraftwerke und industrielle Feuerungsanlagen (knapp ein Zehntel). Die früher bedeutsame Müllverbrennung spielt keine nennenswerte Rolle mehr. In der Natur entstehen Dioxine bei Waldbränden und Vulkanausbrüchen.

Wo sind Dioxine enthalten?

Dioxine reichern sich in der Nahrungskette vor allem in tierischem Fettgewebe an und finden sich in Milchprodukten, Fleisch und Fisch, daneben mitunter im Boden und in niedriger Konzentration in Pflanzen, Wasser und in der Luft. Wir Menschen nehmen 90 Prozent des Dioxins über die Nahrung auf, vor allem mit Fleisch, Fisch und Milchprodukten. Mageres Fleisch, fettarme Milch und viel Obst und Gemüse können also helfen, die Dioxinaufnahme zu senken.

Welche akuten Schäden richten Dioxine an?

2004 wurde der ukrainische Politiker Viktor Juschtschenko mit einer extrem hohen Dosis TCDD, dem Seveso-Dioxin, vergiftet und durch eine Clorakne im Gesicht entstellt, die sich seitdem langsam zurückbildet. Nach einer im Fachblatt „Lancet“ veröffentlichten Studie wurde bei Juschtschenko das 50 000-fache der üblichen Dioxin-Konzentration im Blutserum gemessen. Die chlorbedingte Akne war auch das häufigste Symptom einer akuten Dioxin-Vergiftung, die sich bei der Chemiekatastrophe im italienischen Seveso 1976 ereignete. Daneben traten Nerven- und Leberschäden auf, die sich mit der Zeit zurückbildeten.

Welche chronischen Folgen hat Dioxin?

Eine hohe Dauerbelastung durch den Schadstoff wird unter anderem mit einem geschwächten Immunsystem, Hormonstörungen, Diabetes und Problemen bei der Entwicklung des Ungeborenen in Verbindung gebracht. Bei Tieren wurden durch das Dioxin TCDD eine Reihe von Krebsarten ausgelöst, weshalb die Weltgesundheitsorganisation WHO die Substanz als krebserregend für den Menschen einstufte. Allerdings teilen manche Wissenschaftler diese Einschätzung nicht.

Warum ist die Krebsgefahr umstritten?

Das Dioxin TCDD schädigt das Erbmaterial nicht direkt, wie es typisch für krebserregende Stoffe ist, sondern regt das Wachstum der Tumoren an. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass eine hohe Dioxin-Belastung im Beruf die Sterblichkeit an Krebs erhöht. Trotzdem kam eine Expertengruppe der Akademie der Wissenschaften der USA 2006 zu dem Schluss, dass die Belege für eine krebserzeugende Wirkung der Dioxine nicht stark seien. Allerdings ist der Unterschied zwischen „vermutlich krebserregend“ und „krebserregend“ in der Praxis kaum bedeutsam, geben die Forscher zu. Ob in Seveso eine erhöhte Krebsrate zu verzeichnen ist, ist nicht abschließend geklärt.

Wie groß ist das Dioxin-Risiko für den Normalverbraucher?

Die Dosis eines Stoffs entscheidet darüber, wie giftig er ist. Das gilt auch für die Dioxine. Schwerwiegende Schäden an Haut, Immunsystem oder gar Krebs wurden jedoch in erster Linie in Experimenten ermittelt, bei denen Tiere hohen Dioxindosen ausgesetzt waren. Die Frage ist also, wie weit man diese Ergebnisse auf den Alltag übertragen kann. Weil Dioxine überall in der Umwelt vorkommen, lassen sich die Schadstoffe in jedem Menschen nachweisen. Sie lagern sich vorzugsweise im Fettgewebe ab und reichern sich hier an. Die Halbwertszeit für TCDD im menschlichen Organismus beträgt nach einer Berechnung der US-Umweltbehörde EPA etwa 2120 Tage. Knapp sechs Jahre dauert es also, bis die Leber die Hälfte einer an einem Tag aufgenommenen Dioxinmenge abgebaut hat. Trotzdem: Eine „normale“ Dioxinbelastung dürfte im Durchschnitt keine Nachteile für die Gesundheit mit sich bringen, urteilt die Weltgesundheitsorganisation. Das gilt ihrer Ansicht nach ebenfalls für das Krebsrisiko – unterhalb einer bestimmten Schadstoffmenge ist dieses vernachlässigbar.

Welche Dosis ist noch akzeptabel?

Laut WHO ist eine monatliche Aufnahme von 70 Billionstel Gramm (Pikogramm) Dioxin-Gesamtmenge pro Kilogramm Körpergewicht noch erträglich. Bei dieser Dosis sind keine Nachteile für die Gesundheit zu erwarten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Körper aufgrund der langen Verweildauer der Schadstoffe bereits ein „Dioxin-Depot“ besitzt und die tägliche Aufnahme – mal mehr, mal weniger – vor diesem Hintergrund eine eher geringe Rolle spielt. Entscheidend ist die durchschnittliche Langzeitbelastung, daher die WHO-Angabe in Monaten. Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung ermittelte, nimmt in Deutschland ein Erwachsener im Monat rund 60 Pikogramm Dioxin-Gesamtmenge pro Kilogramm Körpergewicht zu sich. Allerdings kann dieser Wert je nach Ernährung erheblich schwanken. Die Dioxinbelastung sollte noch weiter gesenkt werden, empfiehlt das Umweltbundesamt. Immer noch würden viele Bundesbürger mehr Dioxine zu sich nehmen, als der WHO-Vorsorgewert empfehle. Nach Informationen der US-Umweltbehörde EPA ist beim Zehnfachen der durchschnittlichen Dioxin-Belastung mit Gesundheitsschäden zu rechnen.

Wie hoch ist das Risiko im aktuellen Fall?

Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung mitteilt, liegt der Dioxingehalt bei einigen Proben über dem von der EU festgelegten Höchstgehalt. Für Eier beträgt dieser drei Pikogramm pro Gramm Fett. Eine akute Gesundheitsgefahr sei jedoch nicht gegeben. Wer ein Ei mit einem erhöhten Dioxingehalt gegessen hat, wird davon also nichts merken. Trotzdem – die Belastung sollte gesenkt werden.

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